Blumen im Kopf

Meine Eltern hatten beide eine ziemliche Sammelleidenschaft: mein Vater hatte in seinem Leben eine ansehnliche Briefmarkensammlung anhäuft und meine Mutter ein riesiges Regal, welches vollgestopft war mit wunderschönen Bilderbüchern. Zumindest letzteres konnte ich immer ganz gut nachvollziehen, denn auch ich höre/lese gerne lustige, ans Herz gehende oder tolle Geschichten und oft sind solche Bilderbücher ja auch wunderbar illustriert.

So habe ich auch ein paar ausgewählte Exemplare zu Hause und habe mir auf Empfehlung jetzt ein neues gegönnt, dessen Geschichte ich so schön finde, dass ich sie Euch heute abtippen möchte:

Blumen im Kopf

Opa Günther pflanzt gute Gedanken von Lisa Wirth

An einem herrlich sonnigen Tag, so wie heute, arbeitet Opa Günther meistens in seinem schönen Garten. Opa Günther ist ein sehr weiser Mann und er liebt die Blumen – vor allem die in seinem garten. Weil er wirklich sehr viel weiß, bitten ihn die Leute oft um Rat. Opa Günther sagt dann immer: „Das Leben steckt voller bunter Blumen und warmen Sonnenstrahlen. Manchmal regnet es, aber Blumen brauchen Wasser, damit sie wachsen können. Deshalb ist Regen etwas Gutes.“

Wenn Opa Günther auf seine kleine Enkelin Johanna wartet, nutzt er die Zeit, um die Blumen zu gießen und seinen schönen Garten zu pflegen. Dabei denkt er oft daran, wie glücklich er ist. Er sieht sich um und freut sich an den Schmetterlingen, die über die Blüten tanzen. Zufrieden beobachtet er rote Marienkäfer und schaut den kleinen Ameisen zu. Opa Günther freut sich über die gelbe Sonne am Himmel und das saftig grüne Gras.

Eines Tages hört Opa Günther plötzlich ein Kind schluchzen. Er ist besorgt – das wird doch hoffentlich nicht die kleine Johanna sein. Doch kaum ist er am Gartenzaun angekommen, wird ihm schnell klar – es ist seine Johanna. Sie läuft mit ihren gelben Gummistiefeln über die Wiese zu ihrem Opa und weint fürchterlich. Auch die Tiere sehen sich nach Johanna um, sogar der kleine Maulwurf streckt neugierig sein Köpfchen aus dem Erdhügel.

„Johanna, was ist denn passiert“, fragt Opa Günther besorgt. Aber Johanna kann kaum sprechen, so aufgebracht ist sie. Als sie sich etwas beruhigt hat, erzählt sie mit leiser Stimme: „In den Schule haben mich die Kinder geärgert, weil ich rote Haare habe. Deswegen haben sie mich nicht beim Fangen spielen mitmachen lassen. Ich will keine roten Haare mehr haben“, sagt Johanna ganz zittrig. Johanna weint so sehr, als schwebe eine Regenwolke über ihrem Kopf. In ihrem Kopf scheint gerade keine Sonne – ein Sturm ist aufgezogen.

„Komm“, sagt Opa Günther und nimmt Johanna in den Arm. „Lass uns ein paar Blumen in deinem Kopf pflanzen.“

Johanna ist zwar immer noch traurig, aber jetzt ist sie neugierig. „Blumen im Kopf pflanzen?“, fragt Johanna. „Ja“, sagt Opa Günther. „Weißt du – wir alle haben einen schönen Garten im Kopf und wenn jemand traurig ist oder es ihm nicht gut geht, dann pflanze ich einfach neue Blumen.“ Johanna ist verwirrt. Wie soll das gehen – Blumen im Kopf pflanzen?

„Als du heute zu mir gekommen bist, wehte ein Sturm in deinem Kopf. Du warst fürchterlich traurig und in deinem Garten hat es geregnet. Kleine Trauerwölkchen waren über dir. Solche Stürme haben wir alle mal im Kopf.“, sagt Opa Günther. „Manchmal kommt dieser Sturm einfach, weil wir traurig über etwas sind oder, wie bei dir heute, weil du so geärgert wurdest. Aber vergiss nicht – auch wenn es manchmal stürmt und regnet und du die Sonne sehr vermisst – du kannst dir immer sicher sein, nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein.“

„Aber wie geht das denn mit diesen Blumen im Kopf?“, fragt Johanna aufgeregt. „Komm, ich zeigs dir!“, sagt Opa Günther. „Mach deine Augen zu und denk an einen wunderschönen Garten mit vielen Blumen.“ Johanna setzt sich gemütlich zwischen die Wurzeln der alten Eiche und schließt die Augen. „Stell dir einen Garten vor, so wie du ihn am liebsten hast. Es kann ein aufgeräumter oder ein ganz wilder Garten sein. Einer mit einer bunten Blumenwiese oder mit vielen Beeten. Mit Sonnenblumen und Gänseblümchen“, erklärt Opa Günther liebevoll.

„In meinem Garten ist auch ein Teich“, sagt Johanna fröhlich. „Mit einer Entenfamilie, Libellen und Schmetterlingen.“ „Weißt du, dieser prächtige Garten ist immer in deinem Kopf und du kannst dir ab jetzt jeden Tag ein bisschen Zeit nehmen, um deinen Garten zu pflegen.“ „Ah ja? Und wie mach ich das?“, fragt Johanna.

„Immer dann, wenn dir etwas gut gefällt und wenn du dich freust, dann pflanzt du eine Blume. Oder wenn du vor Freude ganz laut lachst, etwas Gutes tust oder für etwas dankbar bist, dann lässt du deinen Garten größer und schöner werden. – Wofür bist du denn heute dankbar?“, will Opa Günther wissen. „Was bedeutet das?“, fragt Johanna. „Also, wenn du ein tolles Geschenk zum Geburtstag bekommst, dann freust du dich und dann bedankst du dich. Aber manche Geschenke, die bekommst du jeden Tag und merkst es gar nicht. “ „Ja? und welche sind das?“

„Heute warst du zwar traurig, aber du bist gesund – und das ist ein ganz großes Geschenk. Deine Familie liebt dich, du wirst jeden Tag satt und bekommst etwas Leckeres zu essen. Auch das ist sehr wertvoll.“ „Ja, stimmt“, erkennt Johanna. Opa Günther fragt sie, ob ihr auch etwas einfällt, wofür sie dankbar ist. Johanna muss überlegen… „Vielleicht, dass ich hier zu dir in den Garten kommen kann und weil Mama und Papa immer für mich da sind. Für meine Freundin Susi bin ich auch dankbar, weil sie heute als Einzige zu mir gehalten hat.“ – „Das ist toll, Johanna! – Siehst du, heute war zwar ein Sturm in deinem Garten, aber du hast gerade wie verrückt Blumen gepflanzt und damit die dunklen Wolken vertrieben.“ Johanna strahlt über das ganze Gesicht. „So leicht geht das?“ Sie stellt sich vor, wie drei Blumen aus ihrem Kopf wachsen.

„Alles Gute im Leben und jeder schöne Gedanke ist eine Blume im Kopf. Kann ich also auch bei anderen Blumen pflanzen?“ – „Ja!“, antwortet Opa Günther. „Das kannst du. Wenn Menschen traurig sind, kannst du für sie da sein. Du kannst anderen ein Lächeln schenken oder ein freundliches Wort. Du kannst helfen oder jemandem Mut machen, der Angst hat. Wenn du bei anderen Menschen Blumen pflanzt, wächst auch in deinem Garten eine neue wunderschöne Blume. Wenn du dir deine Wünsche und Träume erfüllst und glücklich bist, dann blühen traumhafte Blumen in deinem Kopf, die immer größer werden.“

„Also, lass uns noch viel mehr Blumen pflanzen“, sagt Johanna. Sie sieht ihren Opa an, nimmt ihn in dem Arm und sagt: „Ich hab dich lieb. Du bist der beste Opa der Welt.“ Und während sie das sagt, wächst eine kleine Blume aus Opa Günthers Kopf.

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Eine wundervolle Geschichte, Uta! Mit Tränen der Rührung in den Augen gehe ich nun bei Sonnenschein in den Garten und bereite die ersten Pflanzen für den Frühling vor … :)))) Ganz liebe Grüße in die Runde, Melanie

  2. PS: Ich habe das Buch gerade für uns und für eine Freundin, die im Kindergarten vorliest, bestellt … 😉

  3. oh wie schön, ja das sollten wir uns wohl alle ein wenig zu Herzen nehmen…Vielen Dank für die schöne Geburtstagsgeschichte🥂 für mich liebe Uta…wünsche euch allen den Faschingsausklang🍾🎊 den ihr euch wünscht, bin zwar auch fast am Rosenmontag geboren aber ein Faschingsnarr war ich noch nie…lg Petra

      • vielen Dank liebe Uta! die Blumen haben nicht nur im Kopf geblüht habe so schöne Frühlingsblumen bekommen, hoffentlich blüht es im Garten nun auch bald!!!!

  4. Den Winter über blühten sie vielfältig in meinem Kopf, aber nun kommt auch der Frühling unaufhaltsam näher. Wir freuen uns sehr, denn Schneeglöckchen, Krokusse und Perlhyazinthen haben sich fleißig vermehrt und „wippen“ im Garten lustig im Wind. Die ersten Osterglöckchen entfalten sich auch schon und die Weide zeigt ihre soften, pelzigen „Kätzchen“, herrlich. Nun flattert es endlich wieder nicht nur in unseren Herzen – das “ blaue Band“. :-)))))))

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