Wie man seine Angst kontrollieren kann

Die Überschrift verspricht eventuell zu viel – denn wenn man schon mitten drin ist in seiner Angst, dann ist man tatsächlich meilenweit von Kontrolle entfernt. Das ist ja oft das größte Problem.

Aber dennoch gibt es ein paar Ideen dazu, die ich mit Euch teilen möchte und die unter Umständen ein wenig helfen können, diesem Ohnmachtsgefühl etwas entgegen setzen zu können.

Diese Ideen setzen eher langfristig an. Es gibt natürlich auch kurzfristige Strategien, die meistens viel mit Vermeidung zu tun haben. Ich umgehe also die Eskalation meiner Angst, indem ich die angstauslösende Situation komplett vermeide. Beispiele: Ich habe Angst vor Menschenansammlungen und kaufe deswegen online, um nicht in ein Geschäft zu müssen. Oder ich warte darauf, dass mein Partner nach Hause kommt, um in dem Zimmer, welches ich vorher geschlossen und am besten verriegelt habe, die Spinne zu entfernen. Eine andere kurzfristige Lösung ist es, sich abzulenken – mit Musik, mit einer anderen Tätigkeit oder ähnlichem. Damit überwinde ich aber nicht die Angst und sie wird in einer ähnlichen Situation genau so wiederkommen und fröhlich winken. Denn diese kurzfristigen Ideen setzen ja nicht an der Ursache an, sondern gaukeln Deinem System nur vor, dass Du alles im Griff hast – dass auf der anderen Seite Deine Angst aber berechtigt ist, weil die Situation ja wirklich sehr schlimm dadurch erscheint.

Deswegen ist es besser, der Angst mit langfristigen Methoden zu Leibe zu rücken:

1.) Den Fokus von Innen nach Außen lenken

Wenn wir uns in einem Angst-Moment befinden, dann richten wir unsere Aufmerksamkeit ganz häufig auf unser Inneres – wir hören unseren eigenen rasenden Gedanken zu und bemerken unsere körperlichen Reaktionen wie Zittern, Herzrasen oder Schweißausbrüche. Damit sind wir dann so sehr beschäftigt, dass wir kaum noch wahrnehmen können, was eigentlich gegenwärtig IST. Deswegen ist es sinnvoll, unseren Fokus aus dem inneren Strudel zu lenken – auf das, was um uns herum in Realität passiert. Das kann man wunderbar üben: Stellt Euch zum Beispiel immer mal wieder ans Fenster, schaut einfach nur nach draußen und beschreibt Euch selber, was Ihr seht und hört – je detailgetreuer, desto besser. Damit trainiert Ihr, den Fokus nach außen zu richten und könnt dies in angstvollen Momenten anwenden, um zu bemerken: die Umgebung ist völlig okay, das Gedankenkarussell kann angehalten werden.

2.) Inszeniere ein Worst-case-Szenario

Diese Methode ist eventuell nicht für jeden etwas – aber es lohnt sich, sie zumindest mal auszuprobieren: Wenn Ihr bemerkt, wie die Angst sich nähert und im Begriff ist, Euch anzuspringen, dann erzählt Euch selber – oder jemand anderem, zum Beispiel geht das auch gut im Wechselspiel – das absolut Allerschlimmste, was jetzt passieren könnte. Je absurder und krasser, umso besser. Denn das verrückteste Worst-case-Szenario kann Euch auch vor Augen führen, dass es sehr, sehr wahrscheinlich niemals so schlimm kommen wird. Und dann fühlt sich die aktuelle Situation plötzlich auch nicht mehr so furchtbar an.

3.) Gib Deiner Angst ein Gesicht und einen Namen

Diese Taktik habe ich bei meinen Kindern schon sehr erfolgreich angewendet, da ging es zwar um ein anderes Gefühl – klappt aber bestimmt auch mit der Angst. Gebt dieser eine Gestalt, zum Beispiel einen kleinen grünen Drachen oder ein schielendes lila Monster mit schiefen Zähnen – alleine das macht schon Spaß. Ihr könnt der Figur auch einen Namen geben, dann wird es noch ein bisschen persönlicher. Und wenn ihr die Angst dann hochkommen spürt, dann begrüßt Ihr sie wie einen alten Bekannten, der eben zu Besuch kommt, der in Euer Leben gehört und der auch gerne wieder verschwinden darf. Ihr könnt mit dem Wesen innerlich kommunizieren, könnt ihm erlauben, KURZ da zu sein – könnt es aber auch anschreien und es wütend dazu auffordern, das Weite zu suchen – je nachdem, was sich gerade besser anfühlt.

4.) Sei Dir selber ein starker Begleiter

Das ist eine ähnlich gelagerte Methode, die aber eher dazu gedacht ist, Euren Rücken zu stärken und sich nicht so alleine, hilf- und machtlos gegenüber der starken Angst zu fühlen. Wieder stellt Ihr Euch einen Begleiter vor, der in einem Angst-Augenblick innerlich auftaucht. Dieser Begleiter hat aber vielmehr die Aufgabe, zu unterstützen und Euch gut zu zureden. Auch das kann man im Vorfeld – am besten täglich üben: sprecht innerlich mit Euch selbst, sagt Euch, wieviel Ihr bereits geschafft und gemeistert habt und dass noch ganz viel Kraft in Euch drin steckt. In dem eigentlichen Moment der Angst wird der kleine Begleiter dann an Eurer Seite sein und Ihr könnt Euch selber sagen: „Ich überstehe das!“ oder „Es wird nichts Schlimmes passieren!“ – und die Angst wird ganz automatisch nachlassen, ohne dass Ihr dazu auf andere Personen angewiesen seid.

5.) Die Angst akzeptieren

Man kann sich die Angst auch gut als Ball vorstellen, der auf dem Wasser schwimmt. Wenn man diesen unter der Wasseroberfläche halten will (also unterdrücken!), dann ist das zunächst ganz schön anstrengend und irgendwann mag es einem auch nicht mehr gelingen… der Ball hat dann umso mehr Energie, wenn Ihr ihn los lasst, und springt mit voller Kraft nach oben.

Wenn wir den Ball (= die Angst) aber „ganz einfach“ da lassen, wo er ist und ihn ein stückweit akzeptieren, dann kann er auf der Oberfläche davon treiben und am Horizont verschwinden…

Ich persönlich verwende für meine persönliche Angst (dem Verlust von mir lieben Menschen) noch eine weitere Taktik und davon erzähle ich Euch im nächsten Artikel.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Uta,
    ich will dir heute einfach mal Danke sagen für deine gut recherchierten, sensiblen, ehrlichen und oft hilfreichen Beiträge und die viele Arbeit, die du ins Schreiben in deinem Blog investierst.
    Danke!
    Viele Grüße,
    Kathrin

      • Liebe Uta, da bin ich auch dabei und möchte Dir einfach nur ein ganz großes DANKE für Deine großartigen Beiträge und Deine unermüdliche Arbeit sagen.
        Ängste, wie Du sie hier beschreibst, kenne ich zum Glück nicht und bin sehr dankbar dafür.

        Die uns angeborene „natürliche“ Angst, wenn unser Verstand Gefahr für Leib und Leben erkennt, aber schon. Zum Beispiel ein plötzlich und unverhofft aufziehendes schweres Gewitter in unmittelbarer Nähe draußen im Freien ohne sichere Schutzmöglichkeit. Hab das früher einmal im Gelände Höhe Wärterhaus gegen 20 Uhr im Sommer erlebt. Vom Festland, von Borkum und von Norderney zogen sehr schnell Gewitter heran, aber kein Regen fiel.
        Kein Mensch weit und breit, ich war ganz allein. Die Verhaltensregeln habe ich befolgt und gefleht, dass ich das heil überstehe.
        Angesichts des Kriegshorrors in der Welt und des unendlichen Leids vieler Menschen ist es nur eine unbedeutende Kleinigkeit!

        Ganz tiefe Angst und Sorge ist noch immer bei vielen Menschen im Ahrtal verwurzelt, die am 14. Juli 2021 die Hölle erlebten, als aus der beschaulichen schmalen Ahr innerhalb kürzester Zeit ein brüllendes, reißendes viele Meter hohes Ungeheuer wurde und den Menschen die vertraute Heimat nahm. Viele verloren nicht nur ihr Dach überm Kopf, ihre kompletten Habseligkeiten, wichtige Dokumente und liebgewonnene für sie wertvolle Erinnerungsstücke an ihr bisheriges Leben, sondern auch geliebte Menschen, Angehörige, Freunde und Nachbarn. Noch heute ist und kann nichts mehr sein, wie es war, obwohl es eine große SolidAHRität gibt,
        die traumatisierten Menschen tapfer und fleißig nach vorne schauen und um ein „Leben in Normalität“ wie in alten Zeiten kämpfen. Das alles zu vergessen, die Angst vor erneuen Klimawandelhorrorszenarien in der geliebten Heimat zu überwinden ist unmöglich. Aber aufzugeben und einfach wegzuziehen auch!

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