Auch meine Flügel werden wachsen

Die Pubertät hat an unsere Haustür geklopft und wir haben sie reingelassen. Jetzt hockt sie mit am Essenstisch, mischt sich in jede Familien-Diskussion ein, streckt den Kindergesichtern im Spiegel die Zunge raus und bringt den gewohnten Trott unseres Alltags gehörig durcheinander.

Mir als Mutter war das ja klar, dass es irgendwann dazu kommen würde. Schließlich hab ich das auch mal durchgemacht, mich und das Leben komplett infrage gestellt (Top 1 dabei: meine Eltern), nicht mehr gewusst, wer ich eigentlich bin und was die Umwelt denn bitte schön von mir will und dabei versucht, die Achterbahnfahrt der Gefühle von euphorischem Glück im Sturzflug in die scheinbar bodenlose Verzweiflung irgendwie zu handeln.

Man sollt also meinen, dass man als Mutter irgendwie darauf vorbereitet sei… Pustekuchen! Dabei ist mir auch klar, dass das erst der Anfang ist – die Pubertät ist ja gerade mal erst eingezogen mit Sack und Pack. Lustig wird es wahrscheinlich erst, wenn sie sich so richtig häuslich eingerichtet hat und nicht mehr gehen mag – weil sie es bei uns so nett findet!

Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass die Pubertät eine der wichtigsten Zeiten des Lebens ist: hier werden, ähnlich wie in der frühen Kindheit, noch mal ganz wichtige Weichen gestellt. Das Neue ist: man hat als Eltern darauf nicht mehr ganz so viel Einfluss, muss in den Schatten und in den Hintergrund treten. Man sollte nach wie vor eine wichtige Rolle im Leben des heranwachsenden Menschen spielen – aber das darf auf gar keinen Fall auffallen, was einen ziemlichen Eiertanz bedeutet.

Die Pubertät ist die Zeit, um im besten Sinne erwachsen zu werden – was für mich bedeutet: man lernt, Verantwortung zu übernehmen: für seine Mitmenschen, seine Freunde, seine Umgebung, die Umwelt, sich selbst! Man lernt unabhängig zu denken, zu fühlen und sein Sein zu gestalten. Und dabei muss man lästige Wurzeln abschütteln und diese von den notwendigen unterscheiden – auch das ist ein enormer Balanceakt.

Damit das Ganze nicht wie ein sehr kräftezehrendes Tau-Ziehen rüberkommt, bei dem es um gewinnen/verlieren geht, gibt es (wie so gut wie immer) keine Patentlösung. Ich muss allerdings zugeben, dass mein persönliches Un-Wort

Loslassen

in diesem Zusammenhang mal wieder eine entscheidende Rolle spielt. Und es bedeutet vor allem Vertrauen. Vertrauen in meine Kinder, dass sie ihren Weg finden werden, dass sie das Leben zu nehmen wissen und dabei niemals das Hüpfen vergessen.

Und Vertrauen in mich – das ich den Wegweiser richtig platziert, den Grundstein gelegt und das Trampolin gut aufgebaut habe.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Uta, unsere beiden Mädels sind nun zu verantwortungsvollen, empathischen jungen Erwachsenen herangereift, mit denen wir zu Recht sehr stolz und glücklich sein dürfen.
    Bis dahin brauchte es eine Riesenportion Geduld (vor allem aber auch mit mir selbst), viel liebevolles Verständnis, offene Arme und 1000 Taschentücher zum Naseschniefen und Tränentrocknen.
    Das beste Rezept nanntest Du selbst: beide vertrauensvoll loszulassen. Deine Kids werden ihren Weg finden und gehen. Den Wegweiser hast Du bestimmt richtig plaziert.
    Das Beste zum Schluss: im Rückblick schrumpft dann die jetzt noch schwierige Hürde ins Erwachsenenleben zu einer Kleinigkeit, über die ihr Drei lachen werdet. :-))

    • Auf das gemeinsame Lachen freue ich mich jetzt schon – wobei wir das jetzt auch noch glücklicherweise ziemlich gut zusammen können und ich hoffe, dass das einfach so bleibt… dann sind die Hürden einfacher zu meistern!
      Vielen Dank für die Aufmunterung, liebe Gabi

  2. Liebe Uta, deine geschriebenen Worte zu dem Thema sind wieder so genial. Ich bin inzwischen schon lange aus dieser Zeit heraus, aber ich habe eine siebenjährige Enkeltochter und werde das alles als Zuschauer und Betroffene Oma miterleben. Ich war jetzt vor kurzem schon sehr erstaunt….mit welchem Vokabular die Kinder aus der Schule kommen.
    Meine Enkeltochter war im Waldorfkindergarten und ist jetzt in die ganz normale Regelschule gekommen. Ganz liebe Grüße
    Ivonne 65 Jahre, ehemalige Krankenschwester mit Leib und Seele. PS.Etwas spät aber sehr herzlich: Gratulation und Hochachtung zum bestandenen Examen

    • Vielen Dank, liebe Ivonne – für das Kompliment und die lieben Glückwünsche!
      Ich wünsche Dir eine wunderbare Oma-Zeit… freu ich mich jetzt schon drauf: man darf zwar ganz eng dabei sein, aber hat eben nicht mehr den Druck und die Hauptverantwortung… ist doch ein toller Job! 😉

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