Vorab: vielen Dank für Eure lieben und dazu sehr wertvollen Gedanken zum letzten Artikel über meinen ersten Mammographie-Termin. Und ich kann verkünden, dass alles in bester Ordnung ist. Die Post kam bereits nach zwei Tagen und nachdem ich den Brief mit klopfendem Herzen geöffnet habe, durfte ich lesen, dass man keinerlei Anzeichen einer Brustkrebserkrankung festgestellt hat.
Sich dem Thema zu stellen, hat Mut gekostet – und wie angekündigt, möchte ich Euch heute von einer Situation im Rügen-Urlaub erzählen, in der ich auch jede Menge davon gebraucht habe:
Wir haben die Rückfahrt nach Hause nämlich genutzt, um uns noch ein paar Städte anzuschauen, die quasi auf unserem Weg rumlagen. Dabei war auch die wunderschöne Stadt Stralsund, die ich Euch nur ans Herz legen kann: unglaublich tolle Altstadt mit urigen alten Häusern, einem imposanten Hafengelände (die Gorch Fock schipperte allerdings zu dem Zeitpunkt irgendwo auf den Weltmeeren herum) und einer irgendwie stillen, warmen Atmosphäre. Mit meinem Mann kann ich immer ganz wunderbar neue Orte entdecken, denn wir sind uns meistens sehr einig, was wir uns anschauen wollen – und fast jedes mal gehören auch Kirchengebäude dazu. Wir beide mögen einfach die Ruhe dort, die unterschiedlichen Bauweisen, die opulenten Verzierungen oder die schöne Schlichtheit. So sind wir auch in die schon von Außen sehr ansprechende Marienkirche gegangen.
Dort befand sich dann ein Kassenhäuschen zur Turmbesteigung – da bin ich spontan alleine hin, denn mein Mann hat derzeit eine stark entzündete Stelle unterm rechten Fuß und hat sofort abgewunken. Also hab ich ganz naiv meinen kleinen Obolus bezahlt und es versäumt, die Frau dabei zu fragen, wie der Aufstieg denn so aussieht. Hab ich dann ja selber festgestellt…
Es geht nämlich sage und schreibe 90 Meter in die Höhe und beginnt mit einer steinernen Wendeltreppe bis ungefähr zur halben Höhe des Turms – schon bei der gefühlt 25. entsprechenden Linksdrehung hab ich mein Vorhaben ein wenig infrage gestellt. Keuchend und bereits mit etwas zittrigen Beinen kam ich dann beim weiteren Anstieg an: der führt über sehr schmale und äußerst steile Holzleitern an den Glocken vorbei – mit freier Sicht auf den Abgrund. Spätestens jetzt muss ich erwähnen: mit zunehmenden Alter leide ich mehr und mehr an Höhenangst… allerdings war auch irgendwie klar: ich muss weiter, denn weil das Ganze so eng gebaut ist, hat man den Auf- und den Abstieg aneinander vorbei gebaut, damit man sich nicht entgegenkommt.
Ich gebe es gerne zu: als mir das in Gänze klar geworden war, musste ich mich, meine rasenden Gedanken und meine zitternden Muskeln erstmal unter Kontrolle bekommen. Dann bin ich irgendwie weiter und habe versucht, solche Sätze wie „Und wenn ich jetzt diese Leiter runterpurzel, dann hab ich echt ein Problem!“ in Schach zu halten. Auf die Aussichtsplattform gelangte man dann durch eine Luke (ähnlich wie die altertümliche Form eines Dachbodens) – auch nicht gerade ein leichtes Unterfangen mit der Angst im Nacken. Und dann stand ich oben und hatte einen grandiosen Blick auf die Stadt, konnte Rügen nochmal zum Abschied winken und die kleine Nachbarin Hiddensee ebenfalls erspähen.
Auch der Abstieg war für mich noch mal Abenteuer – aber dann hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen (ich hätte ihn am liebsten geküsst) und war völlig fertig: körperlich und geistig, aber auch voller Stolz, dass ich es geschafft habe. Die drei Tage Muskelkater in den Oberschenkeln im Nachklang lasse ich jetzt einfach mal so stehen…
Ich denke, es tut gut, seine eigenen Grenzen zu kennen und zu respektieren – aber ab und zu auch mal über sie hinweg zu hüpfen. Man spürt sich dann wieder neu, lernt andere Seiten an sich kennen und kann sich dann wieder in die Sicherheit zurück kuscheln. Aber mit einem kleinen rebellischen Gefühl im Bauch…
Oh je, schon beim Lesen bekam ich Angst. Ich finde, das hätte man unbedingt ankündigen müssen.
Ja, im Nachhinein hab ich auch gedacht, dass mir die gute Frau an der Kasse vielleicht mal einen Hinweis hätte geben können… aber naja…
Uta, ich fühle sooooo mit dir. ab schon Magenziehen beim Lesen. Mir geht es auch so, je älter ich werde, desto schlimmer ist es. Vor allem, wenn man durch die Treppen durchgucken kann. Selbst beim ersten Anstieg auf das Memmertfeuer hatte ich schweißnasse Hände.🙄 Als wir in Bahrain waren, haben uns unsere Freunde mit auf den Saudi Tower genommen. Fahrstuhl so eng, dass wir 4 gerade rein passten. Dann war es noch dazu ein gläserner Fahrstuhl. 70 m in die Höhe. Ich habe gesagt, stellt euch bitte alle vor mich. Oben angekommen, war natürlich toll. Allerdings waren die Fenster schräg nach unten. Ich dachte, jeden Moment kracht ein Fenster raus. 😆 Ich habe es absolut nicht bereut und etwas mutiger bin ich dadurch geworden. Rolf ist da anders. Der war beim Tag des offenen Denkmals auf unserem Kirchturm und die Führung ging sogar aufs Dach. Das habe ich mir lieber von unten angeguckt.
Ja, spannend, wie sich das so mit den Jahren verändert, oder? Früher hat mir das auch absolut nichts ausgemacht, bin auf die höchsten Türme und heute?!? Da ist es mir sogar manchmal zu viel, auf einen Stuhl zu steigen… 😀
Liebe Uta,
Respekt vor der Herausforderung die du gemeistert hast.
Beim Lesen wurde mir sehr mulmig, und ich finde auch, das man besser beim Eintritt sagen sollte, das das nur schwindelfreie Personen wagen sollten!!
LG
Vielen Dank, liebe Ulrike. Ich hab mich im Nachhinein auch ein wenig über die Frau an der Kasse gewundert
Hallo Uta, kann es direkt nachfühlen, hatte schon immer Höhenangst, die sich noch verstärkte, als ich unter Panikattacken litt.Fast 30 Jahre. Gott sei Dank jetzt fast vorbei. Selbst wenn im Fernsehen jemand aufs Dach klettert, bekomme ich wacklige Knie. Aber toll , daß du das so mitgemacht hast. Du wärst sicher nicht gegangen, wenn du es vorher gewusst hättest.
Mach’s gut und tschüss 😃
So geht es mir auch. Da wird mir ganz mulmig im Bauch.
Interessante Frage, liebe Ingrid – keine Ahnung, ob ich das tatsächlich nicht gemacht hätte, wenn ich das so im Vorfeld gewusst hätte…
Liebe Uta, Du hast schon so vieles gewuppt und bist letztendlich vielleicht doch eher eine Kämpfernatur. Aufgeben? Niemals! So, wie Du Dich schon öfters beschrieben hast (auch Dein Wagemut als Kind) könnte ich mir gut vorstellen, dass Du Dich auf jeden Fall dieser Herausforderung gestellt hättest. :-))))
Mich wundert allerdings auch, dass über die Schwierigkeiten beim Turmbesteigen nicht informiert wurde. In unserem Land ist ja eigentlich alles gesetzlich geregelt und überwacht. Kaum auszudenken, wenn Besucher dort Panikattacken bekämen!
Stimmt, liebe Gabi – ich bin absolut eine Kämpferin… manchmal macht das ganz schön müde, wenn man allzu oft in dieser Rolle ist und die Möglichkeit zur Pause verpasst hat. 🙂
Ja – im Nachhinein wundert mich das nicht-aufklären der Dame auch sehr… und wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich noch mal hinfahren (mach ich ja vielleicht auch noch mal, denn die Stadt ist echt wunderschön!) und ihr das sagen.
Die Dame im Kassenhäuschen macht ihren vielleicht sogar ehrenamtlichen Job und kann nichts für den Missstand. Hauptverantwortlich sind wohl eher Eigentümer und Behörden, die das Bauwerk zur Besichtigung freigeben. Normalerweise ist ja immer ein gut sichtbarer schriftlicher Hinweis (ganz besonders für gehandicapte Gäste) angebracht.
Die Kämpferin Uta blitzt auch im letzten Absatz Deines interessanten Beitrags durch: Du schreibst ja auch darüber, hin und wieder die eigenen respektierten Grenzen mit „kleinem rebellischen Bauchgefühl“ auszutesten. Für mich persönlich finde ich das ganz wichtig, so weiß ich immer, „wo ich aktuell stehe“, da man sich ja laufend weiter entwickelt. Nötige „Verschnaufpausen“ verpasse ich mittlerweile allerdings nicht mehr, die diktiert mir mittlerweile mein Körper. :-))))
Okay, auf die von mir selbst verabreichten Verschnaufspausen warte ich noch – aber das wird naturgemäß von alleine kommen…!!! 🙂
….dann unbedingt auch Wismar anschauen. 3 sehr schöne Kirchen zum Besichtigen garantiert. Auf Georgien Kirche geht’s auch hoch hinaus…..aber gut machbar!
In Wismar waren wir auch – allerdings da wirklich nur ganz kurz! Vielen Dank für den Tipp, liebe Sabine – der nächste Kirchturm wartet also schon auf mich! 🙂
Inzwischen habe ich mir auch unter „hansestadt-stralsund.de“ Fotos und nähere Informationen zur Turmbesteigung angesehen. Immer vorausgesetzt, dass man „gut zu Fuß“ über eine „gewisse Kondition“ verfügt, ist der tolle Ausblick nach 366 Stufen alle mutigen Mühen (und Schweißtropfen) wert. Die teils sehr steile hölzerne Treppen-/Leiternkonstruktion wirkt sehr beeindruckend, aber auch stabil! Die Fotos sind sehr sehenswert!
Dass Du den Aufstieg mit Deiner Höhenangst trotzdem gewagt und bewältigt hast, finde ich großartig, liebe Uta! Es bleibt sicher unvergesslich und ist ein tolles To-Do-Highlight für alle schwindelfreien Stralsund-Besucher!
Das hätte ich mir mal vorher durchlesen sollen, liebe Gabi – aber so bin ich eben spontan rauf… und wahrscheinlich war es so auch genau richtig. Ist ja alles gut gegangen… 🙂
Puh, ich denke, da bist du nicht alleine … Bei mir hat sich die Höhenangst auch erst entwickelt, je älter ich geworden bin. Früher hatte ich da gar kein Problem. Ist bei mir, glaube ich, aber auch Formsache. Letztens bin ich Seilbahn gefahren, sogar mit offenem Sessellift. Da hatte ich gar keine Schwierigkeiten, während ich vor drei Jahren beim Seilbahn-Fahren tausend Tode gestorben bin … Jedenfalls Hut ab, dass du DAS geschafft hast!
Ist ja vielleicht auch ein bisschen Tagesform-abhängig?!?
Bei mir war es natürlich auch der Umstand, dass ich da ganz alleine war – auf der einen Seite ganz gut, auf der anderen Seite hat es die Angst aber auch noch verstärkt
Ich habe eInen wiederkehrenden Traum. Ich muss eine Leiter hochklettern bis in den Himmel. Vor und hinter mir sind Menschen und mir bleibt nichts anderes als mitzuklettern. Nicht schön. Das habe ich aber auch schon geträumt, als ich im „realen“ Leben noch keine Höhenangst hatte.
Wow, Claudia!!!! Was für ein Traum – und wie viele Bedeutungen man darin wohl sehen mag? Ein Traumdeuter hätte daran und darin wohl viel zu sehen… aber vielleicht siehst Du es für Dich einfach positiv: dass Du auf dem richtigen Weg bist, immer hoch hinauf und Dich wichtige Menschen stets begleiten. Mit diesen Gedanken wirkt der Traum vielleicht nicht mehr so bedrohlich?!?
Nee, diese Träume kann ich mir nicht schön reden, leider. Aber tatsächlich hat vor vielen Jahren ein Homöopath sich meine Träume mal angehört und seine Schlüsse daraus gezogen … Und das war für mich sehr erfolgreich.
Das klingt gut, liebe Claudia – und ich finde es auch gut und richtig, dass Du Dich damit beschäftigst. Vielleicht nimmt dies auch ein bisschen den Schrecken
So geht es mir öfter in den Bergen und beim Sessellift und ähnliches….mein Mann ist eine richtige Berggams und geht Pfade da wird mir richtig anders….mittlerweile hab ich echt gelernt, wann für mich Schluß ist, und er dann alleine weiter darf….bei dir gab es ja nun leider oder Gott sei Dank kein zurück, bei so einer Luke zum Schluß hätt ich glaub ziemlich geflucht😇…..Respekt, dass du das so gemeistert hast👏👏👏….lg Petra
Ja, die Luke war dann noch die Kirsche auf der Sahne auf der Torte… 😀
💓 Gratulation zum
“ negativen“
Mammographie – Ergebnis.
Respekt, liebe Uta, für das Überwinden deiner Angst und die Besteigung des Turms – danach steht doch die Welt kurz stille, und es gibt einen im direkten Anschluss soviel Energie.
Danke für absolut mutmachende Vorbildfunktion.
Vielen Dank, liebe Sabine – auch für Deine wunderbaren Worte! Dass die Welt dann kurz stille steht, hast Du sehr gut ausgedrückt – genau so war es! 🙂