Der letzte große Auftritt

Meine Mutter stand gerne im Mittelpunkt – das meine ich im besten Sinne absolut positiv. Sie hatte einfach eine ganz große, leuchtende Energie in sich, die gelebt und gezeigt werden wollte. Das war oft so, dass ein Raum buchstäblich „voll“ war, sobald sie ihn betrat. In den letzten Jahren hatte das deutlich nachgelassen – wo früher ein warmer Tsunami über einen hinweg gerollt war, kamen jetzt weichere kleine Wellen meiner Mutter angespült – das war zum einen schmerzhaft für mich, weil es den Abschied ankündigte – zum anderen hatte dieser Prozess aber auch etwas ganz friedliches.

Ihren letzten großen Auftritt – die Beerdigungsfeier – wollten mein Bruder und ich ihr dennoch ganz besonders und ihrer würdig gestalten. Und ich glaube, wir haben es ganz gut hinbekommen. So haben wir zunächst die Anzeige, die wir verschickt und in die Zeitung gesetzt haben, sehr persönlich geschrieben und mit dem tollen Foto versehen, welches ich im letzten Artikel schon mit Euch geteilt habe. Das hatte ich letztes Jahr Weihnachten von ihr aufgenommen – es zeigt ihren intensiven Blick, in dem noch so viel Kraft liegt und das Lächeln, mit dem sie die Welt angeschaut hat. Und passenderweise war das Todesanzeigenfoto meines Vaters ebenfalls am davorliegenden Weihnachten entstanden.

Die vor dem eigentlichen Begräbnis stattfindende Messe hatte auch einen sehr persönlichen Charakter – der Pfarrer meines Heimatortes kannte meine Eltern sehr gut, gehörte sozusagen zum Freundeskreis und hat sehr schöne Worte für sie gefunden. Mein Bruder und ich haben die Fürbitten und längere Texte für das Ende der Feier geschrieben und vorgelesen. Das war unglaublich schwer und hat sehr viel Kraft gekostet – aber war uns total wichtig… und ich bin mir absolut sicher, dass meine Eltern es gehört und sich sehr darüber gefreut haben.

Sehr wichtig war uns auch der Blumenschmuck – da uns bewusst war, dass meine Mutter darauf viel Wert gelegt und sie da ihren ganz eigenen Geschmack hatte. Das Blumengeschäft hat so einen tollen Job gemacht, dass ich mich einfach persönlich dort nochmal bedanken musste: der Sarg, das aufgestellt große Bild meiner Mutter und der Altar waren mit Feldblumen geschmückt. Es sah aus, als hätte man an einem Feldrand ein Stück Natur entnommen und dort platziert. Klingt vielleicht komisch – aber solche „Kleinigkeiten“ haben uns echt durch den Tag gerettet, weil sie so gepasst haben und wir uns gut damit fühlen konnten.

Auch für den abschließenden Beerdigungskaffee hatten mein Bruder und ich uns etwas Besonderes ausgedacht. Meine Mutter hatte viele Jahre lang gemalt, so dass ganz viele Bilder in unserem Elternhaus hingen. Wir beide haben natürlich bereits unsere Lieblingsbilder von ihr zuhause und wollten, dass die anderen Werke in gute Hände kommen. So haben wir ein Holzgerüst gebaut und dieses mitsamt ihren Bildern plus getöpferten kleinen Statuen im überdachten Innenhof des Cafés aufgebaut.

Jeder Anwesende durfte sich dann – wenn er denn wollte – ein oder mehrere Bilder aussuchen und so eine Erinnerung an unsere Mutter mitnehmen. Die Reaktionen der lieben Menschen sprach Bände und hat gezeigt, wie gut diese Entscheidung war. Da war so viel Dankbarkeit und sichtbare Freude – eine Cousine meiner Mutter stand mit ihrem Bild im Arm und mit Tränen in den Augen vor mir, um sich zu bedanken. Und auch das ist so ein tröstender Gedanke, dass das Lebenswerk meiner Mutter jetzt in so vielen Haushalten verteilt jeden Tag an sie erinnert und Wärme verteilt.

Das Thema Stolz hatte ich hier ja schon des Öfteren und wie schwierig das mit dem Umgang damit ist – aber hier bin ich mir einfach sicher: meine Eltern waren, nein sind – stolz auf ihre Kinder!

26 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Was für ein schöner „letzter Auftritt“ Ich denke, deine Eltern haben von da oben aus zugesehen und waren sehr zufrieden mit dir.
    Genau so hätte ich mir das für meinen Stiefvater gewünscht, ein Mensch, der es mochte zu feiern, unter Menschen zu sein, begeistert in den Altenkreis ging und dort viele Bekannte hatte, seinen Garten und Blumen liebte. Als er vor 9 Jahren starb, hat meine Stiefschwester ihn ohne irgendwelche Freunde zu benachrichtigen, einsam unter einer Platte begraben lassen, auf die man nicht mal Blumen legen darf

    • Liebe Monika,
      was für ein trauriger Umstand, den Du da beschreibst. Allerdings – so wichtig eine Beerdigung auch ist (denn wie beschrieben war mir die für meine Eltern jeweils ja auch sehr wichtig)… ich denke, dass die liebevolle Erinnerung an einen Menschen keinen bestimmten Platz, kein Grab usw. braucht. Was Dich mit Deinem Stiefvater verbunden hat, kann Dir niemand nehmen und es wird für immer einen festen Ort in dem besten Ort der Welt haben: Deinem Herzen!

  2. Das habt ihr gut gemacht liebe Uta! Wirklich ein würdiger Abschied! Deine Mutter mochte offensichtlich Paula Modersohn- Becker. Schön die Bilder so weiter zu geben!
    Alles Liebe für dich.
    Annegret

    • Liebe Annegret,
      ja- wie schön, dass Du Paula Modersohn-Becker kannst. Meine Mutter war eine große Kennerin dieser Künstlerin und hat ihre Werke so sehr gemocht, dass sie sie oftmals nachgemalt hat.

      • Soll ich wohl kennen liebe Uta, ich wohne ja nur 8km von Worpswede entfernt 😊
        Herzlichen Grüße ut dem Düvelsmoor

        • Stimmt – dann solltest Du die Paula und all ihre tollen Malerkollegen wohl kennen. Schöne Gegend hast Du Dir zum Leben ausgesucht, liebe Annegret!

  3. Wunderbar….einfach wunderbar
    Das sag ich als Mama, Mensch, ehrenamtliche Hospizbegleiterin und Tochter.
    Seid sicher…..Sie haben EUCH gefeiert

    • Vielen Dank, liebe Doris! In all Deinen tollen Funktionen sprichst Du uns diese Anerkennung aus- das tut echt gut! Und das wäre mir auch am liebsten: das meine Eltern sich zusammen und ihre Kinder/Enkelkinder usw. feiern können!

  4. Was für eine persönliche und würdevolle Verabschiedung. Die Idee, die Bilder zu verschenken, ist einfach wunderbar von euch und eine schöne Erinnerung. Spontan wüsste ich sofort, welches ich ausgewählt hätte… so ist es sicher auch vielen Gästen gegangen und gute Gespräche vor den Bildern entstanden.
    Liebe Grüße und eine kraftvolle Zeit Christina

  5. So schön geschrieben und kann alles nachvollziehen ( Gedanken, Erinnerungen und ganz viel Liebe. Habe Gänsehaut.

  6. Liebe Uta, selten, nein wirklich noch nie, habe ich eine solch persönliche und schöne Traueranzeige gelesen❤️.
    Halt, doch! Die eures Vaters.
    Wirklich rührend, wie es dein ganze Text ist.
    Fühl dich umarmt, lieben Gruß
    Rascha

    • Ich danke Dir, liebe Rascha! Die Traueranzeigen waren uns auch wirklich sehr wichtig und sollten genau das sein: persönlich, liebevoll und das einfangend, was die beiden ausgemacht hat. Das war auch gar nicht so einfach, weil wir als Kinder so viele Facetten einfangen wollten – aber wir sind auch mit dem Ergebnis echt glücklich.
      Ich umarme Dich auch!

  7. Liebe Uta,
    mein herzliches Beileid Dir und Deinen Lieben! Ich habe nicht viele Worte, aber als ich das Bild Deiner Mutter sah, konnte ich ihre Aura spüren und bin mir sicher, dass sie unvergessen bleibt!

    Liebe Grüße, Kirsten 🌻

    • Liebe Kirsten,
      manchmal braucht es auch gar keine vielen Worte… Ja, meine Mutter hatte/hat tatsächlich eine ganz besondere Aura, die in den Herzen bleiben wird! Das hast Du sehr gut gespürt

  8. Liebe Uta, deine Mutter kann sowas von stolz auf ihre Kinder sein! Ihr habt ihr in der Tat eine würdige, liebevolle und ihr angemessene Auferstehungsfeier bereitet.
    Die schönen Bilder werden mich stets an sie und ihre ganz besondere Art, das Leben zu leben und zu lieben, erinnern.
    Danke!
    Walburga

    • Liebe Wally!
      Es freut mich so sehr, dass so viele Bestandteile vom Lebenswerk meiner Mutter jetzt in so vielen Haushalten ein Stück von ihr weiterleben lassen. Bei Dir besonders – denn ich weiß, wie sehr meine Mutter Dich geschätzt und geliebt hat!

  9. Liebe Uta,
    mein aufrichtiges Mitgefühl für Dich und Deine Lieben! Wenn man sich auch vom letzten Elternteil verabschieden muss, ist das ein ganz besonderes Ereignis, weil es so vieles endgültig abschließt. Ihr habt durch die Trauerfeier mit all euren liebevollen Ideen das Leben eurer Mutter „rund gemacht“ und noch einmal gefeiert! Die Idee, ihre Bilder in wertschätzende Hände weiter zu verschenken, finde ich ganz besonders und ich kann die Rührung und Überraschung der Trauergäste gut verstehen!
    Für eure eigene Trauerarbeit wünsche ich euch alles Liebe, denn sie wird sicher noch Zeit beanspruchen!
    Herzliche Grüße aus dem Rheinland!
    Maria

    • Vielen Dank für Deine wunderbaren Worte, liebe Maria! Das bekräftigt mich in dem Glauben, in dieser schweren Zeit vieles richtig gemacht zu haben.

  10. Liebe Uta, obwohl wir uns persönlich nicht kennen, trifft es mich mitten ins Herz, mit welch‘ liebevoll anerkennenden Worten Du im Gedenken an Deine Mutter deren starke Persönlichkeit und Präsenz beschreibst.

    Wie wunderbar, dass es Deinem Bruder und Dir gelungen ist, so eine unvergesslich überwältigende Würdigung und Trauerfeier zu gestalten. Die Idee, durch ihre Bilder an das Lebenswerk Deiner Mutter über ihren Tod hinaus zu erinnern, vereint alle in ihren herzlichen Empfindungen und das finde ich sehr sehr schön.

    Eure Eltern halten sich glücklich lächelnd in den Armen und freuen sich sehr über Euch! 🙂

    • Dein letzter Satz lässt mich lächeln, liebe Gabi – und genauso stelle ich es mir auch vor, bzw. sehe es mit den Augen meiner Seele.
      Vielen Dank für Deine – wie immer – sehr achtsamen Worte!

  11. Liebe Uta, beim Lesen deines Textes kullerten einige Tränen….. Auch mich treffen deine Worte mitten ins Herz, in deinen Zeilen ist einfach so viel Liebe zu spüren ❤️ Es ist großartig, wie ihr das Leben eurer Mutter gewürdigt habt. Deine Eltern sind nun wieder vereint und ganz stolz auf ihre Kinder❣️ Dir und deinen Lieben wünsche ich viel Kraft für die kommende Zeit! Ganz liebe Grüße aus NRW von Gaby

    • Vielen Dank, liebe Gaby – uch für Deine mitfühlenden Tränen!
      Ja, die Liebe zwischen meinen Eltern, zu ihren Kindern (und Enkeln) und zwischen uns Geschwistern ist beispiel- und grenzenlos. Das überwindet alles, auch den Tod!

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