Schon mehrfach habe ich in diesem Blog ja schon vom Begriff des „inneren Kinds“ geschrieben, weil ich damit in einem Selbstfindungsseminar mal mit in Berührung gekommen bin und während der recht einfachen Übung, nämlich mit dem inneren Kind einen Nachmittag zu verbringen, einen unglaublichen Gefühle-Overload hatte. Die kleine Uta stand so deutlich vor mir, mit ihren blitzenden Augen, ihren Sommersprossen über dem frechen Grinsen, das ich fast das Gefühl hatte, sie berühren zu können. Und nachdem ich das Empfinden hatte, dass sie mich an die Hand genommen hatte, hab ich in mir ihre chronisch heisere Mädchenstimme gehört, die gesagt hat: „Warum hast Du mich im Stich gelassen?“
Ich glaube, ich habe noch nie so viel und heftig geweint wie an diesem Nachmittag… und seitdem ist meine kleine, wunderbare, trotzige, willensstarke und unglaublich lebensfröhliche Uta wieder viel präsenter in meinem Leben. Diese Uta war es auch, die diesem Blog quasi ihren Namen gegeben hat, denn wie ich in meiner Erklärung dazu geschrieben habe: so im Alter von 4-5 Jahren bin ich nie gelaufen, gegangen oder gerannt – ich bin nur gehüpft. Und somit steht es eben für mich als ganz leuchtendes Symbol für Lebensfreude.
Das innere Kind ist allgemein ein in der Psychologie verwendetes Modell, das viele Therapeuten in ihrer Arbeit nutzen und über das schon viele schlaue Bücher geschrieben wurden. Das Modell geht davon aus, dass bestimmte Erfahrungen in der Kindheit Verhaltensweisen, Erleben, Denken und Fühlen im Erwachsenenalter beeinflussen. Dabei wird das innere Kind häufig mit Glaubenssätzen über sich selbst in Zusammenhang gebracht – also mit Annahmen, die man über sich selber hat und die im positiven dafür sorgen können, dass wir glücklicher durchs Leben gehen – oder eben im negativen immer wieder dazu führen, dass man sich selber niedermacht, sich nichts zutraut oder ähnliches.
Es ist nämlich mitnichten so, dass die Erlebnisse, die Erfahrungen, die Gefühle und Themen, mit denen wir in unserer Kindheit in Berührung gekommen sind, sich mit der Zeit in uns erledigen – quasi mit unserem steigenden Alter verschwinden. Wir reagieren ja zum Beispiel in bestimmten Situationen so, weil wir geprägt wurden. Und wir alle tragen eben diese beiden Persönlichkeitsanteile in uns: die des früheren Kindes und die des jetzigen Erwachsenen.
Wenn die beiden Teile nicht in Einklang stehen, einander nicht sehen und nicht miteinander kommunizieren können, dann können Probleme entstehen. Und deswegen kann ich nur dafür plädieren, mit seinem inneren Kind in Kontakt zu bleiben.
Ein schönes und einfaches Mittel – es visualisieren. Wir haben bei uns zuhause neben schönen Gemälden und Erinnerungsbildern von meinen Eltern auch mehrere alte Kinderfotos von uns ausgestellt. Über meinem Bett hängen vier große Bilder von der oben beschriebenen Uta und mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich sie anschaue.
Und von meinem Mann habe ich jetzt gerade auch ein altes Foto ein bisschen hübsch „verpackt“, indem ich dem echt süßen Fratz einen schönen Rahmen gegeben habe:
Da steht er nun auf einer Heizungsbank neben unserem Esstisch und ich glaube, er fühlt sich bei uns schon ganz Zuhause…
Liebe Uta, Du beschreibst uns, dass sich das „Kind in Dir“ von Dir „im Stich gelassen“ fühlte. Dieser Begriff ist ja recht negativ behaftet und wirkt auf mich halt auch sehr hart, fast verurteilend.
Ist es nicht vielleicht so, dass die kleine, kindlich stets unbeschwert hüpfende Uta sich in Deinen Erinnerungen mit den Jahren (von Dir als Erwachsene) durch unterschiedliche Sachzwänge im Alltagsleben etwas übersehen fühlte? Hätte es Dich auch so geschockt, wenn sie Dir „gesagt“ hätte: „So schön, dass Du wieder bei mir bist, ich glaubte schon fast, Du hättest mich mittlerweile vergessen :-)))) “
Was mich betrifft, so war und ist es mir immer wieder ein großes Bedürfnis, mich an Klein-Gabi zu erinnern, in ihre kindlich neugierigen, aber selbstbewussten Fußstapfen zu treten, von ihr wieder dieses schlichte auch mal Unbekümmertsein neu zu erlernen und mich damit sehr wohlzufühlen!
Und ja, ich genieße es sehr, Fotos aus meiner Kindheit zu betrachten und in Erinnerungen zu schwelgen: Gabi sammelt erste Erfahrungen beim Rollschuh-/Eislaufen, beim mit den Kindern aus der Nachbarschaft auf Mauern und Bäume klettern (verschwollene, blutig aufgeschlagene Knie inbegriffen). Gabi während der Ferien auf dem Bauernhof mit total verfilzten, staubigen Haaren, weil wir uns Höhlen und Kriechtunnel durch das lose Heu auf dem Dachboden der Scheune über’m Kuhstall gebuddelt hatten.
Gabi mit juckenden Quaddeln von gemeinen Flohbissen (Mückenstiche sowieso), nachdem wir Kinder uns zur Abendbrotzeit kichernd bei den Hühnern im Holzverschlag versteckt hatten, wo uns die Eltern nicht vermuteten.
Es war dieses naive, unbekümmerte kindliche Drauf-Los-Leben und auch daraus Lernen, das mir natürlich immer unvergesslich sein wird. Mit den Jahren wuchs das Bewusstsein für Verantwortung und Pflichten, als Erwachsene habe ich bisweilen meine „Kür“ aus den Augen verloren.
Ich bin froh daraus gelernt zu haben und mein „inneres Kind“ als unverfälscht wertvollen Teil meinerselbst zu schätzen.
Der Satz „Warum hast Du mich im Stich gelassen?“ kam ja sozusagen von der kleinen Uta – er stieg in mir hoch und stand ganz klar im Raum. Klar wäre es mir auch lieber gewesen, wenn sich mein inneres Kind nicht ganz so drastisch ausgedrückt hätte – aber das ist eben auch ganz typisch ich: das Kind beim Namen nennen, den Finger exakt in die Wunde legen und brutal ehrlich sein. Und so war ich auch schon als Kind – bei mir wusste man schon immer, woran man ist – und wenn ich was auf dem Herzen hatte, dann hab ich es eben buchstäblich „rausgehauen“. Heute bin ich da oftmals ein wenig höflicher und vorsichtiger. Aber die unverblümte Ehrlichkeit der Frage hat eben auch bei mir mitten ins Ziel getroffen. Und die kleine Uta hatte Recht: ich hab sie in vielen Situationen verleugnet, hab mich verbogen/angepasst, um dazu zu gehören, um vermeintlich besser dazustehen. Die Frage war berechtigt – und sie hat uns beide wieder zusammengeführt, wofür ich unendlich dankbar bin, denn mein inneres Kind ist die schönste Seite an mir! 🙂
So ein tausendschönes Kinderbild von deinem Mann und sooo liebevoll hindrapiert!!
Stimmt, liebe Melanie – das Bild ist echt super schön. Der kleine Fratz schaut (noch) so unschuldig in seine Welt. Und auch das symbolisiert ja das innere Kind: diese noch „unbefleckte“, reine, neugierige Unschuld – kein Bewerten, kein Verurteil, kein Schubladendenken, sondern einfach nur staunen! Kinder sind so wunderbar – und das ist ja das Gute: wir sind es innerlich auch noch alle!