An die Sonne

Gestern war ja ein herrlicher Frühlingstag (ich hoffe zumindest, dass es bei Euch auch so war!) – ich hab auf unserer Terrasse auf der Bank gesessen und kam kaum zum lesen. Denn ich war oft viel zu sehr mit genießen beschäftigt, hab den dicken Hummeln bei ihrer blumigen Arbeit zugeschaut, die Wärme in meinem Gesicht gespürt, den Vögeln nach Abschluss eines weiteren Liedes innerlich Applaus gespendet und das aufsteigende Prickeln in meinem Bauch angefeuert.

Unglaublich – immer wieder – um wie viel leichter sich das Leben zumindest scheinbar leichter anfühlt, wenn es hell ist, wenn das Licht einen umfängt – wenn die Sonne scheint.

Passenderweise habe ich vor ein paar Tagen in einem Artikel einen Hinweis auf ein Gedicht von Ingeborg Bachmann gelesen und nachdem ich dieses dann gefunden hatte, war klar: das muss ich Euch auch zeigen:

An die Sonne

Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönerem berufen als jedes andre Gestirn,
Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.

Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt.

Ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den Schleier,
Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand,
Von Schatten gepeitscht, fliehen unter mein Lid.

Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
Dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh!

Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein …

Nichts Schönres als den Stab im Wasser zu sehn und den Vogel oben,
Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im Schwarm,
Gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer Sendung von Licht,
Und den Umkreis zu sehn, das Geviert eines Felds, das Tausendeck meines Lands
Und das Kleid, das du angetan hast. Und dein Kleid, glockig und blau!

Schönes Blau, in dem die Pfauen spazieren und sich verneigen,
Blau der Fernen, der Zonen des Glücks mit den Wettern für mein Gefühl,
Blauer Zufall am Horizont! Und meine begeisterten Augen
Weiten sich wieder und blinken und brennen sich wund.


Schöne Sonne, der vom Staub noch die größte Bewundrung gebührt,
Drum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen und nicht,
Weil die Nacht mit Kometen prahlt und in mir einen Narren sucht,
Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts sonst
Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner Augen.

Sehr schöne Liebeserklärung an meinen Lieblings-Stern – und ein schön versteckter, aber deutlich spürbarer Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit, die aber sehr tröstend formuliert ist.

Was meint Ihr?

11 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Mir ging es ähnlich, hier war auch bestes Wetter, dass ich auf meinem Balkon mit wunderbarem Ausblick ins Grüne, auf die Lahn und auf die Graureiher genossen habe.
    Wie sagte Pippi so schön (oder so ähnlich): Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach vor sich hin zu schauen …

      • Wunderschön, liebe Uta, auch Deins, liebe Monika, verzaubert.
        Ja, wir kleinen Menschen sind vergänglich und gerade deshalb sollten wir unser winziges Lebenszeitfenster trotz schlimmer Kriege, Krisen und Hiobsbotschaften intensiv nutzen und unser Leben wirklich bewusst leben, nichts aufschieben und vor allem solche echt herrlichen Innehalten-Momente im Frühling von ganzem Herzen genießen und auch „abspeichern“, denn irgendwann ist’s wieder grau und trübe draußen.

        Der Gedanke ist schon eigenartig: aber die gewaltige Sonne wird es auch noch geben, wenn die Menschheit vielleicht schon längst wieder ausgestorben ist.

        Ich freue mich schon jetzt auf viele traumhafte Sonnenauf- und untergänge, auf sommerwarme Haut, auf verdiente Relaxzeiten draußen. Auf Vanillepudding mit Erdbeeren, auf Apfelkuchen mit Sahne, auf deftige Bratwurst und herzhaft leckeren Kartoffelsalat am Gartentisch. Und danach genüsslich Augen zu und den Duft der Blumen genießen.

  2. Schönes Gedicht, liebe Uta
    Ich kenne eins über die Wintersonne,
    Passte gestern hier wunderbar zum Wetter.
    Heute leider alles wieder grau in grau.

    Wintersonne
    Noch ist der Morgen mehr Gefangener der Nacht
    als Bote des nahenden Tages.
    Schweigen umhüllt die Landschaft tief und ruhig im Grau.
    Um die träumenden Bäume und ihr Gezweige,
    die letzten Trotzschatten der Nacht –
    ein seidener Schleier aus Lila…
    Da erhebt die Sonne, selbstverzaubert flimmerndes Orange,
    Anfangs noch blutleer im Meer der Nebel,
    sucht sie dennoch am Himmel ihre Macht über den Tag –
    und wärmt sich langsam an den Bäumen empor.
    Aus dem Reif der Wiesen funkeln Silberfäden überwältigt zu ihr hinauf.
    Ihre immer stärker glutende Kraft trägt den Morgen in die Welt
    und verklärt ihn in einem neuen Licht…
    – Unbekannter Autor

    • Boah – das ist aber wirklich richtig, richtig schön!!! Was für tolle Bilder die Worte in einem aufsteigen lassen!!! Vielen Dank fürs Teilen, liebe Monika!

  3. Sehr schönes Gedicht. Gestern hab ich auch ganz bewußt die Sonnenstrahlen, Vögel und Frühlingsblüher wahr genommen. Und auch wie gute Laune und das Lächeln sich breit macht.
    Ein tolles Gefühl.
    Ich wünsch Dir und allen anderen einen schönen Tag mit Glücksgefühlen und schönen Gedanken. ☀️😀☀️

  4. Danke für die schönen Gedichte und Gedanken hier.
    So ein erster Sonnentag birgt irgendwie das Versprechen eines guten Sommers.

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