Eine Geschichte gegen die Angst

Oftmals sind Kindergeschichten sehr tiefsinnig und stecken voller offener oder versteckter Botschaften, die Mut machen, die Welt erklären oder ein wenig heller erscheinen lassen.

Ich habe einen Text aus Winnie the Pooh von A.A.Milne gefunden, den ich Euch mal kopiert habe – und ich wünsche Euch „Menschen wie Ferkel“ an Eurer Seite:

„Ferkel?“, fragte Puuh.
„Ja?“, sagte Ferkel.
„Ich habe Angst“, sagte Puuh.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.
„Möchtest du darüber reden?“, fragte Ferkel, als Puuh nichts weiter zu sagen schien.

„Ich habe einfach solche Angst“, platzte Puuh heraus.
„So viel Angst. Denn ich habe nicht das Gefühl, dass die Dinge besser werden.

Wenn überhaupt, habe ich das Gefühl, dass es schlimmer werden könnte. Die Menschen sind wütend, weil sie so viel Angst haben, und sie gehen aufeinander los, und es scheint keinen klaren Plan zu geben, wie man hier herauskommt, und ich mache mir Sorgen um meine Freunde und die Menschen, die ich liebe, und ich wünsche mir so sehr, dass ich sie alle in den Arm nehmen könnte, und oh, Ferkel!

Ich habe solche Angst, und ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mir wünsche, dass es nicht so wäre.“

Ferkel blickte nachdenklich in den blauen Himmel und hörte seinem Freund zu.

„Ich bin hier“, sagte er schlicht. „Ich höre dich, Puuh. Und ich bin hier.“

Einen Moment lang war Puuh perplex.
„Aber … willst du mir nicht sagen, dass ich nicht so dumm sein soll? Dass es im Moment für alle schwer ist?“

„Nein“, sagte Ferkel, ganz entschieden. „Nein, ich werde ganz bestimmt nichts von alledem tun.“

„Aber -„, sagte Puuh.
„Ich kann die Welt jetzt nicht ändern“, fuhr Ferkel fort. „Und ich werde dich auch nicht mit Plattitüden darüber beglücken, dass alles gut werden wird, denn das weiß ich nicht.

Was ich aber tun kann, Puuh, ist, dafür zu sorgen, dass du weißt, dass ich hier bin. Und dass ich immer hier sein werde, um dir zuzuhören und dich zu unterstützen und damit du weißt, dass du gehört wirst.

Ich kann diese ängstlichen Gefühle nicht verschwinden lassen, nicht wirklich. Aber ich kann dir versprechen, dass du, solange ich noch Atem in meinem Körper habe, diese ängstlichen Gefühle niemals allein fühlen musst.“

Und es war seltsam, denn noch während Ferkel das sagte, spürte Puuh, wie einige dieser ängstlichen Gefühle begannen, ihren Griff um ihn zu lockern.

Puuh dachte, er sei noch nie so dankbar gewesen, Ferkel in seinem Leben zu haben.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Schnief!! Sooo kostbar!!!
    Wenn jeder so einen Menschen wie Ferkel im Leben an seiner Seite hätte, wäre die Welt um Vieles besser …

  2. Danke für’s Teilen, liebe Uta. Winnie Pooh, Ferkel, Rabbit, Heffalump und Co. begleiteten mich durch meine Kindheit und Jugend. Ich habe es geliebt und fand die ursprünglichen schlichten Bildillustrationen (noch vor den „Disneytypischen“!) besonders schön. Zuerst hatte mir mein Papa aus der Winnie Pooh-Welt abends vorgelesen, später bin ich immer wieder gerne mal bei Winnie Pooh und seinen vertrauten Kumpels gelandet.

    Und ja, es gibt wohl für Jede(n) von uns Situationen, wo wir schlichtweg das tiefe Bedürfnis haben, von lieben Menschen „gehört“ zu werden, zwischenmenschliche Wärme und Trost zu erfahren oder aber auch zu geben.

    Heutzutage nehmen Hass und Gewalt (erschreckenderweise selbst unter Kindern) in einem Maß zu, das ist verstörend. Diese „kriminellen“ Kinder sind nie gehört, verstanden und liebevoll getröstet worden! Ihre „Wertewelt“ wird ihnen ganz besonders während ihrer Entwicklung durch die Sozialen Medien „aufgedrückt“. Echte Empathie, Verständnis und Wertschätzung erfahren sie nie und müssen deshalb alleine gelassen scheitern. Sehr traurig!!!!

    • Liebe Gabi,
      ich persönlich bin in meiner Kindheit kaum bis gar nicht mit Winnie Pooh und seinen Freunden in Berührung gekommen – dafür hatte ich natürlich andere Helden: Madita, Pippi, Ronja, Michel (also sehr viel Astrid Lindgren) – aber auch Heidi, Maja und etwas später dann Donald, Dagobert und Tick, Trick und Track… versteckte und offene Botschaften für die kleinen und großen Leser waren aber auch dort viel enthalten.
      Und ich gebe Dir Recht – die „Verrohung“ der Gesellschaft schreitet voran und beginnt immer früher – da erfahre ich nicht zuletzt auf meiner Arbeit. Umso wichtiger sind solche Texte und der Blick auf das Schöne in dieser Welt

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