Kulinarische Erinnerung

Zur Zeit denke ich wieder ganz viel an meinen Vater – die Trauer um seinen Tod ist wie ein Meer in meiner Seele, die Gefühle kommen wie Wellen – manchmal kann ich auf ihnen schwimmen, andere reißen mir den Boden unter den Füßen weg und durch andere kann ich gerade noch schnell durchtauchen.

Der jetzige Zustand hat mit einer kulinarischen Erinnerung zu tun, die beim letzten Einkauf begonnen und sich dann beim langsamen Verzehr weitergezogen hat. Es geht um diese kleinen braunen Dinger hier:

Mein Vater hat zu der Spezies Jäger & Sammler gehört – wobei man bei der zweiten Bezeichnung ein ganz dickes Ausrufezeichen machen müsste: die obligatorischen Briefmarken und Münzen lagerten genauso in seinem Zimmer wie auch hunderte von Büchern (so besaß er nahezu jedes Werk über das Thema „Indianer“).

Und auch bei Lebensmitteln hat es ihm besonders Spaß gemacht, wenn er diese zunächst erstmal suchen, aufspüren, sich danach bücken und mit anderen Menschen dabei ein wenig konkurrieren musste.

Jahr um Jahr ist mein Vater deswegen mit meinem Bruder und mir an jedem schönen Herbsttag zu einem besonders guten Kastanien-Gebiet gefahren, wo kilometerlang (zumindest kam das meinen kurzen Dreikäsehoch-Beinen so vor…) entsprechende Bäume ihre stacheligen Früchte abwarfen. Wir drei schlichen dann in gebeugter Haltung die Wege entlang, testeten die grünen Schalen mit den gefährlichen Piksern mit dem Fuß auf Inhalt und versuchten, den dann auch geschickt so zu befreien. Ein jeder von uns trug einen Eimer – und mein Vater schaffte es jedes Mal, den typischen Geschwister-Konkurrenzkampf mit einem Lächeln zu entkräften.

Zuhause schnappte sich mein Vater dann das eigens dafür vorgesehene Küchenmesser, unsere Eimer und ein Handtuch für den Schoß – und dann wurde akribisch geschält, geschabt und gekratzt… bis man dann schön der Reihe nach das weiße „Gold“ in den Mund stecken konnte.

Ich hab den Geschmack und die Wertschätzung für diese Kleinigkeit so sehr geliebt – und als ich die Kastanien dann letztens zwar nicht selber gesammelt, aber aus den Supermarkt mit nach Hause getragen habe, hab ich mich sehr gefreut: auf die kulinarische Erinnerung und über diese gemeinsame Zeit mit meinem Vater, die mir nichts und niemand nehmen kann.

P.S.: Vielen Dank für Eure lieben und tollen Kommentare auf den letzten Blog!!!! Das hat sehr gut getan!

Und an Sandra Gantert: Du hattest mir eine Email geschrieben, die ich beantworten wollte, aber meine Email ist zurückgekommen: vielleicht liegt es an Deiner angegebenen Email-Adresse, dass die Kommentare von Dir nicht erscheinen?!?

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Oh ja! Erinnere mich natürlich auch, wie ich ihn mit seinen auf dem Rücken verschränkten Händen, die Augen starr auf den Kastanienlaubboden gerichtet, nachgeahmt habe. Es waren Momente in denen es einfach keine Zeit zu geben schien und die dicken Kastanien direkt aus dem spätherbstlichen Himmel regneten-blassblau, rostrot und hellbraun.

  2. Hämmchen mit Sauerkraut,Muscheln Rheinischer Art,Sauerbraten usw.
    Ja,auch ich habe diese Kulinarischen Erinnerungen an meine Mom.
    Oder das Brombbeeren pflücken für die selbstgemachte Marmelade,danach total zerkratzt aber glücklich.
    Das sind Erinnerungen die uns bleiben und immer wieder hochkommen.
    Meine Mom hatte gerade ihren dritten Todestag.
    Das was du hier beschreibst liebe Uta,habe ich heute noch.
    Gerüche oder Geräusche und zack kullern bei mir die Tränen.
    Es wird mit der Zeit weniger,aber das bleibt.
    Ich denke so geht es allen die eine enge Beziehung zu ihren Eltern hatten.
    Was die letzten Blogbeiträge angeht,ich finde deinen Blog gut so wie er ist.
    Mich hört man nur so wenig,weil ich doch ziemlich mit mir selbst beschäftigt bin.
    Habe ein paar Hiobsbotschaften gesundheitlicher Art erhalten und bin nun schon wieder seit ein paar Wochen nur noch zu Hause,bis auf nötige Arztbesuche.
    Und ganz ehrlich,diese ganze momentane Situation macht mich wirklich fertig.
    Das ewige gejammer meiner Mitmenschen kann ich nicht mehr hören.
    Ich muß mich eigentlich in einen Raumfahreranzug packen,wenn ich irgendwo hin muß.
    Mich darf dieser Mist nicht erwischen,sonst hab ich Flügel an.
    Und das beschäftigt mich tagtäglich.
    Aber,ich bin noch da,steck den Kopf nicht in den Sand,erfreue mich an den schönen Dingen und hoffe auf einen Impfstoff.Der würde die ganze Situation doch gehörig abmildern.
    Vor dir liebe Uta und allen Pflegekräften und Ärzten ziehe ich in diesen Zeiten meinen Hut.
    ❤️DANKE❤️
    Uta,bleib so wie du bist,mach dir nicht unnötig Sorgen um deinen Blog .
    Das ist hier alles gut so wie es ist und ich denke da spreche ich für viele stille Mitleser.
    Fühl dich mal feste gedrückt und halt die Ohren steif,
    ganz liebe Grüße auch an deine Lieben
    😘 Petra

    • Liebe Petra,
      ja, der Schmerz wird bleiben – davon bin ich auch überzeugt. Man lernt wohl nur, immer besser damit zu leben…

      Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die jetzige Situation für Dich die Hölle sein muss! Umso mehr ziehe ich Dir gegenüber den Hut, dass Du optimistisch und DU bleibst!!!!!
      Pass bitte weiterhin gut auf Dich auf

      • Och keine Sorge,ich bleibe ich.
        Das ändert auch kein Sars-Cov-2.
        Aber es gibt wirklich Dinge die mich richtig aufregen.
        Ich denke,wir können davor nicht weglaufen,deshalb mache ich das beste aus der Situation und bleibe zu Hause.
        Allerdings muß ich am Dienstag in die Uniklinik in Regensburg,in die Pneumologie.
        Das gefällt mir so gar nicht,weil ich da meine Maske abnehmen muß zwecks Lufo und weiteren Untersuchungen.Aber ich muß,ist mein 1/2 jährlicher Kontrolltermin.
        Augen zu und durch und hoffen das ich in 2 Wochen noch fit bin.
        Und ja,du hast recht,es ist die Hölle,ich darf nur nicht intensiver darüber nachdenken.
        Diese Jahr hab ich nur einen Wunsch zu Weihnachten,das ganze Drama zu überstehen.
        Ich hab ja schon geschrieben,das ich mich an den kleinen Dingen erfreue.
        Heute habe ich einen Mini Igel gerettet,der hatt nur 260 Gramm und ist jetzt erstmal gut versorgt und warm verpackt in der Garage.Und am Dienstag kommt er dann über den Winter zur Igelnothilfe und darf dann im Frühjahr wohlgenährt zu uns zurück in den Garten.
        Das sind Dinge die mich gerade freuen.
        Wünsch dir noch einen schönen Abend und bleib auch du Du🤗

        • Ich hoffe, Du hast den Termin in der Pneumologie gut überstanden, liebe Petra – kann gut verstehen, dass Dich solche Situationen in Deiner Lage wirklich nervös machen.
          Ich freue mich sehr für den kleinen Igel, der ja wirklich in den besten Händen ist!

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