Tiefgang

Man kann es unschwer an meinen Krähenfüßen rund um meine Augen erkennen: ich lache ziemlich gerne und ziemlich oft. Derzeit eher weniger…

Ich mag dabei besonders Menschen, die Humor und Tiefgang gleichzeitig haben. Glücklicherweise haben wir in Deutschland davon auch in der Öffentlichkeit eine ganze Menge: Wolfgang Trepper, Carolin Kebekus, Anke Engelke, Bully Herbig und viele andere. Ein gutes Beispiel ist auch Ingo Oschmann. Den habe ich mal bei einem Live-Auftritt auf Juist gesehen (und konnte mich auch mit ihm in der pause ein wenig unterhalten, sehr netter Mensch) und hab mich damals sehr beömmelt, aber auch gute Gedankenanstöße erhalten, denn Oschmann ist dazu noch ein richtig guter Zauberkünstler und verbindet die Komik damit – und eben auch mit Einblicken in sein Seelenleben.

Das hat er jetzt auch ganz tief bei einem posting auf seiner Facebook-Seite gewährt. Und ich fand den Text so richtig und gut, dass ich ihn Euch gerne hier nochmal abdrucken möchte. Viel besser kann man es nicht ausdrücken:

Meine Kolumne ist heute nicht lustig:

„Guten Morgen Papa“ mit diesen Worten wurde ich heute recht unspektakulär geweckt. Mein Sohn lag neben mir, schaute mir intensiv in die Augen und fragte ernst: „Warum gibt es Krieg?“ Ich wusste keine Antwort, sondern nahm ihn nur fest in den Arm.
Ich möchte ehrlich sein. Ich fühle mich zurzeit hilflos, stumm und gelähmt. Mir fehlt immer mehr die Kraft, mit dieser Welt klarzukommen. Corona saugt seit über zwei Jahren an meiner Lebensfreude und jetzt, wo Hoffnung aufkeimt das die Normalität in unser aller Leben zurückkehrt, kommt dieser unsägliche Krieg. Die Ukraine wird mit Raketen beschossen, Panzer bombardieren Atomkraftwerke und Soldaten kämpfen auf den Straßen, während die, die diesen Krieg nicht verschuldet haben, ja nicht einmal wollen, sterben müssen. Familien, Kinder, alte Menschen. Die, die diesen Krieg jedoch zu verantworten haben, sitzen nicht an der Front in Schützengräben, sondern lieber in ihren weichen Kissen und bei Kaffee und Kuchen in ihren Palästen und schauen sich die Bilder im Fernsehen an. Die Gefahr, dass sich dieser Krieg auf ganz Europa ausweitet, ist mittlerweile keine Utopie mehr, sondern eine berechtigte Angst.   
Mein Vater hat als kleiner Junge einen Krieg miterlebt. Er saß im Keller, während Bomben auf sein Wohnhaus geworfen wurden. Er ist durch Ruinen gelaufen, in den “Westen“ geflohen und saß zur Weihnachtszeit ohne Pass, Papiere und Freunde in einem 10 qm Zimmer und weinte aus Verzweiflung. Er fühlte eine bittere Einsamkeit, während gesungene Weihnachtslieder aus den anderen Wohnungen zu ihm herüber wehten.  Seine Erzählungen über Krieg und die damit verbundene Traurigkeit sind fest in meinem Herzen eingebrannt und ich bewundere ihn jeden Tag für seine Lebensleistung. Wenn ich in diesen Tagen die Bilder aus der Ukraine sehe, sehe ich meinen Vater als Kind vor mir. Seine eindrücklichen Erzählungen werden wieder lebendig.
Wenn ich etwas aus seinen Worten gelernt habe, dann dass es in einem Krieg keine Gewinner gibt. Selbst die Sieger nehmen die Bilder von Leid, Zerstörung und Tod mit nach Hause und werden sie ihr Leben lang nicht mehr los. Der Preis ist für alle Beteiligten zu hoch.
Meinem Sohn reicht es nicht, wenn ich sage: „Der russische Präsident will das so.“ Er gab mir zur Antwort: „Der kann doch nicht machen was er will. Es gibt doch die Polizei.“ So naiv seine Antwort auch sein mag, so richtig ist sie. Ein Irrer kann das alles nicht alleine machen. Selbst wenn er einen Krieg will, es muss Menschen in seinem Umfeld geben, die ihm aus Überzeugung folgen. Wo sind die Vernünftigen, die einen Krieg verhindern können. Auch die gibt es. In Russland, in der Regierung, in der Nähe von Putin. Ich glaube, das Moral und Courage über die Angst vor Terror siegt! Das ist meine Hoffnung und die stirbt bekanntlich zuletzt.

8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ja, Ingo O. hat so Recht, nur Moral und ganz ganz viel Courage (man müsste fast sagen Todesmut) könnten das Blatt noch zum Besseren wenden. Gespräche/Verhandlungen mit einem verschlagenen, menschenverachtenden verblendeten Diktator würden keinen Frieden bringen, leider!

    • So stellt sich das zumindest derzeit für uns dar – in dem Fall „muss“ ich Dir leider Recht geben, obwohl ich Dir in diesem Fall wirklich viel lieber mal widersprochen hätte…

      • Liebe Uta, man kann nur hoffen, dass sich viele bisher Getreue im eigenen Land von P. abwenden und ihm endgültig die Gefolgschaft verweigern, auch die, die erst jetzt erkannt haben, welch falsches blutiges Spiel auf Kosten unschuldiger Menschen er da durchziehen will.
        Auch unter den russischen Soldaten, die teils unter dem Vorwand eines „harmlosen Übungsmanövers“ nun gegen ihren Willen mitten in den Kampfgebieten sind, bröckelt verständlicherweise die Moral.

        Es fällt mir wie vielen hier bei uns sehr schwer, das Kriegsgeschehen mit dem unsäglichen Leid unschuldiger Menschen auch nur für kurze Zeit ausblenden ZU WOLLEN. Unbeschwert laut und fröhlich zu sein, zu lachen, zu leben qund sich über die Frühlingssonne oder sonstiges Schöne freuen zu können, ist zumindest draußen in der Öffentlichkeit in diesen Tagen irgendwie fast „unwirklich und bleiern“.

        Nach gut zwei Jahren Corona, Klimawandel-Wetterkapriolen, dem Leid der Flutopfer (die jetzt hoffentlich nicht „vergessen“ werden, weil auch sie teils vor dem Nichts stehen und nichts als ihr Leben retten konnten), schaut man nun oft in müde, ratlose Gesichter.

        • Liebe Gabi. Das hast Du gut zusammengefasst – denn der Krieg in Europa ist ja mitnichten das einzige Übel, was zur Zeit die Welt erschüttert. Meine Seele kapituliert ja zu einem gewissen Teil – aber komplett wegschauen, ist sicherlich auch nicht die Lösung. Das kann man ja auch gar nicht, wie Du so treffend schreibst.

  2. Was auch irritiert ist diese reflexartige „Solidarität“ zu einem Land und Volk welches hier im Grunde keiner kennt, man aber automatisch annimmt, dass es sich wie in einer kindlichen Naovität nur um gute Menschen handelt und der „Russe“ der Böse ist.
    Das Thema ist viel komplexer und tiefer und mit Plattitüden als „Stop Putin“ und „Ukraine-Flaggen“ nicht im Ansatz zu erklären und zu deuten.

    • Hallo!
      Vielen Dank für Deinen Kommentar – bei dem ich Dir in zwei Punkten absolut Recht gebe:
      * Man darf absolut keine Pauschalitäten in seinen Urteilen walten lassen – es gibt die „DIE lieben Ukrainer“ und „DIE bösen Russen“ – nichtsdestotrotz geht die Gewalt ja ursächlich von Russland, in Person von Putin aus
      * Das Thema ist tatsächlich darüber hinaus sehr komplex – dieser Blog dient allerdings nicht der politischen Berichterstattung, in dem alle Aspekte beleuchtet und recherchiert werden sollten – sondern es geht hier ausschließlich um die Gefühle, Empfindungen und Gedankenwelt – die zunächst von mir beschrieben und dann von Euch super gerne kommentiert und bereichert werden können.
      Ganz liebe Grüße

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