Rituale rund ums Sterben

Rituale sind mir spätestens seit ich Mama geworden bin sehr wichtig – sie geben Halt, Sicherheit und Stabilität. Sie schenken Verbindung und Vertrauen.

Der Begriff klingt zunächst irgendwie bedeutungsschwanger. Man denkt vielleicht sofort an weihrauchschwenkende Messdiener oder Opfer bringende Sekten – dabei haben Rituale ganz oft nichts mit Zeremonien bei Mondschein und brennenden Fackeln zu tun.

Vielmehr hat jeder Mensch seine persönlichen Rituale im Alltag. Beginnt oft schon morgens: Die Snooze-Taste des Weckers wird jeden Morgen vor dem Aufstehen zwei Mal gedrückt, anschließend geht es wie automatisch in die Küche, Kaffeemaschine anmachen. Schnell unter die Dusche, anziehen und fertig machen, Frühstück mit einem Käsebrot und einem Joghurt, während im Radio die Nachrichten laufen.

Rituale sind also feste Handlungsabläufe oder Ereignisse, die zu festgelegten Zeiten stattfinden und einem immer gleichen und wiederkehrenden Ablauf folgen.

Im Hospiz, in welchem ich derzeit im Rahmen meiner Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin tätig bin, werden ganz viele Rituale zelebriert – und das ganz bewusst und gewollt. Denn der tägliche Umgang mit dem Sterben und dem Tod soll für alle Beteiligten – Mitarbeiter, Gäste und Angehörige – so würdevoll wie möglich gestaltet werden.

So wird nach dem Tod eines Hospiz-Gastes stets eine große Kerze im Eingangsbereich entzündet, die auch erst ausgepustet wird, wenn der Betreffende das Haus verlassen hat.

Der Verstorbene selber wird gewaschen – gerne auch mit Hilfe der Angehörigen – , seine Hände werden übereinander auf den Bauch und darin gegebenenfalls Blumen gelegt.

Das kenne ich auch schon aus dem Krankenhaus: das Fenster wird geöffnet, damit die Seele des Betreffenden hinaustreten kann. Und ich habe es mehrfach beobachtet – nach einiger Zeit sieht man es einfach im Gesicht des Verstorbenen, dass die Seele ihn verlassen hat.

Ins Zimmer selbst wird eine hohe Glasschale mit Wasser und Blumenblüten gestellt, in die jeder, der sich verabschieden möchte, eine brennende Schwimmkerze setzen kann.

Wenn der Verstorbene vom Beerdigungsinstitut abgeholt wird, ist immer ein Mitarbeiter des Hospizes dabei und begleitet ihn bis zur Tür.

Auch weit über den Tag des Todes hinaus gibt es in der Einrichtung noch viele Rituale, die den ehemaligen Gästen ehren und den Angehörigen einen Halt in ihrer Trauer geben: sie sind jederzeit willkommen, wenn sie reden, weinen oder den Ort des Abschieds nochmal besuchen möchten. Zweimal im Jahr wird ein Angehörigennachmittag angeboten, an dem diese Blätter als Erinnerung für ihren Liebsten gestalten können. Diese werden an den großen gemalten Baum im Flur geklebt. Im Wintergarten gibt es außerdem ein Gästebuch, wo Texte reingeschrieben oder Fotos eingeklebt werden können. Jedes Jahr im November findet in der Kirche des Ortes außerdem ein besonderer Gottesdienst zu Ehren aller Verstorbenen des Hospizes statt. Und bei jeder monatlichen Dienstbesprechung werden am Ende die Namen aller Personen vorgelesen, die in der Zeit gegangen sind und jede erhält einen eigenen Erinnerungsstein im Garten.

Für mich alles sehr bewegende und berührende Gesten und es fühlt sich gerade sehr gut an, ein kleiner Teil davon zu sein.

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. So und ähnlich keine ich Rituale auch aus meinem Hospiz.
    Zum Glück gibt es auch Krankenhäuser in denen die Verstobenen nicht in einer „Abstellkammer“ ,sondern in schön gestalteten Räumen, mit Kerzen und Blumen, aufgebahrt werden. So ist es glücklicherweise auch bei uns, im Anthroposophischen Krankenhaus meiner Heimatstadt. Bei uns hat die Aufbahrung Verstorbener eine inzwischen über vier Jahrzehnte alte Tradition. Diese Aufgaben werden nicht an Fremde abgegeben, sondern von den Mitarbeitern der jeweiligen Station und dem ehrenamtlichen Aufbahrungskreis in Zusammenarbeit mit den Krankenhausseelsorgern übernommen. Angehörige können ihren Verstorbenen dort in den 3 Tagen der Aufbahrung dort jederzeit besuchen ,Totenwache halten und in Ruhe und Würde Abschied zu nehmen.

    • Im Krankenhaus ist es sicherlich ungleich schwerer, dieser Thematik einen ähnlichen würdevollen Rahmen zu geben. Deswegen ist der Vergleich dazu auch irgendwie unfair – umso schöner, wenn es in einigen Häusern die tolle Bemühung gibt, dem Sterben und dem Tod mit Ruhe zu begegnen! Ganz liebe Grüße, liebe Monika!

  2. Liebe Uta,
    das hört sich alles so wunderbar an.
    Leider habe ich vor wenigen Jahren ziemlich ungute Erfahrungen mit einem Hospiz gemacht. Eine Nachbarin mit Krebserkrankung und starken Schmerzen (Morphium half nicht mehr) war im Hospiz und nach wenigen Tagen wurde ihr Mann unter Druck gesetzt mit den Worten, dass „wir keine Langzeitpflege machen können“… sie solle möglichst schnell sterben!
    Da sind Deine Erfahrungen mit dem Hospiz und Deinen tollen Erzählungen echt ein Lichtblick und ich hoffe sehr, dass es bald überall so friedlich zugeht.
    Liebe Grüße
    Inge W.

    • Liebe Inge,
      das ist tatsächlich ein absolut abschreckendes Beispiel für ein Hospiz – und widerspricht ja genau dem Leitbild einer solchen Einrichtung! Ich kann ja jetzt nur für das Hospiz sprechen, in dem ich derzeit tätig bin: und da ist jeder Mensch willkommen und zwar so lange, wie es eben braucht und nötig ist. Sicherlich muss man im einen oder anderen Fall mit der Kranken/Pflegekasse neu verhandeln – aber man hat mir schon von Fällen erzählt, die über ein Jahr im Hospiz gewohnt haben und in Frieden versterben durften. Und genau so ist es ja auch gedacht
      Tut mir sehr leid für Deine Nachbarin und ihren Ehemann!

  3. Leider gibt es viel zu wenig Hospizplätze und traurig finde ich auch das oft keine öffentlichen Mittel fließen, sondern viele Hospize auf Fördervereine angewiesen sind

    • Stimmt, liebe Monika – leider müssen noch viel zu viele Sterbende auf einen Hospizplatz warten – und fast alle Einrichtungen sind auf Spenden angewiesen. Da ist noch viel Raum nach oben!

  4. Danke für Deine Schilderung der Rituale im Hospiz, liebe Uta! Sie schenken den Gästen, aber auch den Angehörigen Halt, Trost und Erleichterung im Umgang mit Abschied und Tod.
    Ich bin froh, dass Du uns an Deinen Erfahrungen teilhaben lässt!

    • Mache ich sehr gerne, liebe Gabi. Rituale sind einfach für jeden Menschen sehr wichtig und sie können wirklich total viel Halt und Sicherheit vermitteln.

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