Die letzten Worte

Nicht erst seit meiner nun begonnenen Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin, sondern auch schon weit im Vorfeld, habe ich mich immer mal wieder mit dem Thema „Tod“ beschäftigt. Weil schon viele liebe Menschen in meinem nahen Lebensumfeld gegangen sind – aber auch, weil ich eine ziemliche Angst davor habe und dem „Dämon“ meine Stirn bieten möchte.

Die Furcht besteht in allererster Linie darin, geliebte Menschen zu verlieren – und erst weit danach betrifft es mein eigenes Sterben. Natürlich möchte ich noch ganz lange auf dieser Welt bleiben – vor allem, um für meine Kinder da sein zu können. Aber seit ich zum Beispiel festgelegt habe, dass ich nach meinem Tod verbrannt werden möchte und die Asche in die Nordsee soll, ist da ganz viel Ruhe in mir: den Gedanken, eines Tages für immer dort zu sein, wo ich die tiefsten Gefühle meines Lebens gespürt habe, finde ich einfach schön. Wobei ich da ja nur von meinem Körper spreche – dass die Seele ohnehin weiterlebt, davon bin ich ja überzeugt (war ja bereits Thema hier) und das ist sowieso die Basis des Vertrauens.

Gestern haben wir einen Familienausflug nach Worpswede und Fischerhude gemacht – das ist eine Stätte voller Kindheitserinnerungen, denn meine Eltern sind große Kunstfreunde und sie mögen die Künstlerkolonie um Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz Mackensen usw., die dort Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, sehr.

So waren wir auch an meinem persönlichen Lieblingsgrab – von der Malerin Paula Modersohn-Becker. Zum einen steht dort eine wirklich wunderbare Skulptur, die dem Wesen der Künstlerin und ihrem Schicksal entspricht. Zum anderen liebt meine Mutter diese Frau sehr – und das hat sich quasi auf mich übertragen.

Die Figur von Bernhard Hoetger zeigt Paula als Mutter mit ihrem Kind auf ihrem Bauch und sie erzählt damit die traurige, aber irgendwie auch schöne Geschichte vom Tod der Künstlerin:

Im Alter von 31 Jahren starb Paula Becker Modersohn 1907 in ihrem Haus, im Beisein ihres Mannes und ihres Bruders an einer Embolie. Die Geburt ihrer Tochter, zwanzig Tage zuvor, hatte sie sehr geschwächt, denn sie verlief ungewöhnlich anstrengend. Die Hebamme befürchtete, das Kind wäre bereits tot, da es keine Herztöne mehr feststellen konnte. Ein Arzt wurde in aller Eile herbeigerufen und nach ca. 12 Stunden heftigen Wehen, hatte es Paula und ihre Tochter Tille endlich geschafft; Tille ging es gut. Der Art verordnete der Mutter Bettruhe, da sie über starke Schmerzen in den Beinen klagte. An jenem Abend des 20. Novembers nun, es war der erste Abend, den Paula wieder außerhalb des Betts erleben durfte, trug sie ihre neugeborene Tochter auf dem Arm in die Wohnstube. Plötzlich jedoch verspürte sie eine starke Schwäche, wollte sich setzen, brach infolge dessen zusammen und starb mit den Worten: „Wie schade…!“

Ich finde, diese beiden kleinen Wörter sagen so viel: sie beklagt sich nicht, sie drückt nur ihr Bedauern aus. Bedauern darüber, dieses Leben nun beenden zu müssen, den geliebten Mann zu verlassen, ihr Kind nicht aufwachsen zu sehen.

Aber das dies als letztes über ihre Lippen kam, zeigt für mich auch ihre Stärke: sie hat gespürt, dass es soweit war und hat es akzeptiert. Es hat etwas friedliches – und mit diesem Gefühl zu gehen, ist doch wirklich gut.

(Im nächsten Artikel werde ich das Thema noch weiterverfolgen…)

 

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Dem ist eigentlich nichts mehr zuzufügen. Schön zu lesen und zu verstehen und tröstlich, daß man im Grunde keine Angst vor dem Tod haben muß.
    Immer so schön geschrieben und regt zum nachdenken an. Freu mich immer wieder über neue Berichte in Deinem Blog und sie sprechen mir so oft aus dem Herzen.
    Liebe Grüße !

  2. Hhhhmmmm das Thema Tod ist auch bei mir schon eine Weile aktuell, zum einen bin ich in einem Alter 55Jahre, wo es immer ganz schnell gehen kann und zum anderen habe ich auch schon einige einzigartige Menschen verloren. Ich möchte auch verbrannt werden, die Vorstellung in kalter, nasser Erde zu liegen bringt mich immer zum frieren und ich mag es gerne warm (🙈). Auf der anderen Seite möchte ich noch lange Leben und hoffentlich noch ein paar Enkelkinder erleben.
    Angst habe ich schon ein bisschen vor dem Tod, lange leiden zu müssen, auf andere angewiesen zu sein, Schmerzen zu haben und vielleicht gar nicht mehr richtig „da“ zu sein, das macht mir schon Angst. Da denke ich dann: einschlafen und nicht mehr aufwachen wäre „schön“.

    • Liebe Claudia,
      ich werde in den nächsten Artikeln noch einiges zum Thema Angst vor dem Tod und meine Gedanken dazu, wie man dem vielleicht begegnen kann, schreiben. Vielleicht kannst Du etwas daraus ziehen – das würde mich freuen!

  3. „Die letzten Worte“ 😔.
    Ich habe einige schon gehört, zumindest zu mir gesprochen.
    Diese Worte sind tief in meinem Herzen und niemand kann sie mir nehmen.

    Vor meinem eigenen Tod ist mir auch nicht bange, eher alle meine Lieben hier verlassen zu müssen, zuallererst meine liebe Mama, die wahrlich schon genug Kinder verloren hat.
    Dann hat man ja noch so einiges „vor“. Man kann es ja nicht vermeiden, wenn es denn dann so weit sein sollte.

    Vor den Schmerzen und dem angesprochenen „nicht da sein“ hab ich auch keine Angst, als mein Bruder im März diesen Jahres eigentlich genau so starb, habe ich sehen können, wie friedvoll dieses Sterben sein kann.
    Gesagt war bereits vorher alles und aufgrund der heutigen Möglichkeiten muss zumindest die Mehrheit der Sterbenden dies nicht mehr qualvoll erleben.

    Liebe Grüße
    Bärbel

    • Liebe Bärbel,
      ja, Du hast schon so viele Erfahrungen mit dem Tod machen müssen – ich finde es so bewundernswert, wie Du damit umgehst und das Thema an Dich ranlässt.
      Dass mit den Schmerzen sehe ich auch so ähnlich – heutzutage kann man von vielen Leiden glücklicherweise vorm Sterben befreit werden. Dass man es sicherlich leichter – auch für die Liebsten.

  4. Mensch Uta, da warst du ja nur knappe 10km von mir entfernt! Hätte ich das gewusst, hätte ich euch auf einen Kaffee eingeladen! Falls ihr nochmal hier um die Ecke seid, melde dich gerne wenn du magst! Du bist hier herzlich willkommen!

    Was die letzten Worte angeht …. ich glaube sie können etwas sehr kostbares sein.
    Als meine Mutter am 27.7.2012 starb, da hat sie zu mir etwas gesagt, worauf ich mein ganzes Leben gewartet hatte. Das ist mir heute ein unendlich kostbarer Schatz! Diese letzten Worte haben meine innere Heilung einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht und ich bewahre sie tief in meinem Herzen und hole sie gelegentlich hervor. Mein Vater sagte nach ihrem Tod zu mir, dass es überhaupt das letzte war was sie gesagt habe und dass sie danach auch nicht mehr klar gewesen sei. Als später meine Schwester und mein Bruder eintrafen, dämmerte sie schon langsam hinüber und verstarb kurz danach.

    Diese letzten Worte die ich mit meiner Oma väterlicher seits wechselte, waren ein Austausch über ein Rezept und Infos, wie groß der Pulli werden muss den sie gerade für meinen Sohn angefangen hatte. Es war in fröhliches Gespräch – und ein ganz typisches Oma-Anna-Gespräch wie ich es immer geliebt habe. Kurz danach war meine Oma tot …. den Pulli hatte sie nicht mehr fertig bekommen …….

    Angst vor dem Sterben habe ich nicht. Ich bin ein gläubiger Mensch und bin absolut gewiss, dass ich nach meinem Tod bei meinem Herrn und Heiland Jesus sein darf. Wovor ich durchaus Angst habe, das ist der Prozess des Sterbens und vor allem auch Angst vor Schmerzen….

    Ich bin gespannt auf das, was du noch zu dem Thema schreibst.
    Liebe Grüße
    Annegret

    • Oh, das wusste ich gar nicht, dass Du in dieser wunderbaren Gegend wohnst, Annegret!
      Schön, was Du über die letzten Worte schreibst – die letzten Momente eines Menschen auf dieser Erde können wirklich ganz besonders intensiv sein!

      • Ja, liebe Uta, hier wohne ich und lebe gerne hier 🙂 mein Angebot gilt! Falls du also magst und mal wieder in der Gegend bist, meld dich gerne 🙂
        Ja, diese letzten Worte werde ich vermutlich mein Leben nicht vergessen. Auch nicht die Situation selber – unendlich friedlich.

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