Heilende Tropfen

Mit recht großem Entsetzen hatte ich in den letzten Jahren eine Feststellung an mir selber gemacht: ich hab zwar immer funktioniert, hab als Mama agiert, hab gearbeitet, habe Freundschaften gepflegt und war nach außen hin die starke Uta – doch die Umstände meines Lebens hatten auch diese echt traurige Folge: ich hatte es verlernt, richtig zu lachen.

Natürlich bin ich nicht ständig mit Trauermiene rumgelaufen und habe durchaus gekichert – aber das aus vollem Halse, laute, hemmungslose typische Uta-Lachen war nicht mehr so richtig da. Glücklicherweise kann man sich so etwas tatsächlich zurückerobern – schon seit längerem kann ich (bevorzugterweise über mich selber) wieder lachen, dass mir die Tränen aus den Augen kullern. (Momentan zwar eher nicht so, aber auch das wird wiederkommen…)

Und damit bin ich beim eigentlichen Thema gelandet: denn auch das Weinen kann man verlernen, habe ich festgestellt. Auch da ist es so, dass ich natürlich in den vergangenen Jahren viele Tränen vergossen habe – viele davon waren aber innerlich. Und eine Wein-Attacke habe ich immer recht schnell gestoppt.

Ich hatte den Glauben und die Vorstellung, dass ich – sollte ich einmal so richtig anfangen, meine Situation zu beweinen – niemals wieder würde aufhören können. Ganz oft habe ich mir dann gewünscht, mich für etwa drei Wochen irgendwo hin zu verkriechen, wo es nur mich, Taschentücher, eine weiche Matratze und schalldichte Wände geben würde – und ich könnte hemmungslos heulen und schreien.

Stattdessen habe ich meine Tränen eher sparsam und kontrolliert vergossen. Dabei sind diese so wichtig. Wenn uns etwas berührt – sei es im positiven oder negativen – oder wenn besagte Wunde in uns zum Einsatz kommt, dann werden die Tränen durch einen Nervenreiz ausgelöst. Unser Gehirn gibt den Drüsen ein Signal, mehr Flüssigkeit zu produzieren und unsere Augen laufen buchstäblich über. Diese Tränen enthalten unter anderem Stoffe, die ähnlich wie Morphium Schmerzen lindern können: und da ist es egal, ob wir uns das Knie aufgeschlagen haben oder eben die Seele.

Leider ist das Weinen ja keine gesellschafts-kompatible Regung: manchmal beneide ich meine Kinder, denen es noch völlig egal sind, ob sie in der überfüllten Fußgängerzone, in der Bahn oder an der oft zitierten Supermarktschlange sind: sie weinen einfach. In der Erwachsenenwelt halten wir Tränen viel zu oft zurück, weil sie angreifbar machen, weil sie vermeintlich Schwäche zeigen.

Dabei sind unsere Tränen wichtig und können unsere Seele zwar nicht heilen, aber sie wischen für meine Begriffe zumindest einmal feucht durch. Und ich bin wild entschlossen, auch das richtige Weinen wieder zu lernen: wie bei allem anderen, mit viel Zeit, Geduld und der Erkenntnis, dass auch die dicksten Tränen versiegen, wenn man ihnen Raum gibt.

41 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Das kann ich noch.
    Ich sitze jeden Tag im Hotel und mir laufen die Tränen literweise,egal wo und ob mir jemand zuguckt.
    Es hilft ein kleines bisschen.
    Schniefende Grüße aus Köln

    • Liebe Petra,
      aus deinen vorherigen Kommentaren habe ich gelesen, dass du endgültig Abschied nehmen musst von einem geliebten Menschen. Ich glaube, es gibt kaum eine existentiellere Erfahrung. Es erschüttert das eigene Leben komplett. Wenn nicht jetzt, wann soltest du sonst weinen? Lass alles raus!
      Ich kann dich soooo gut verstehen!
      Unbekannterweise eine feste Umarmung sendet dir
      Esther

  2. Liebe Uta,
    ich habe nicht nur deinen Artikel gelesen, sondern mir auch dein Video angeschaut.
    Deine Offenheit ist bewundernswert. Ich kenne solche Zeiten auch, über die eigenen Kräfte hinaus arbeiten bis nix mehr geht und dabei spricht der Körper schon eine ganze Weile, erst leise, dann immer lauter – bei mir war es neben Rückenschmerzen dann ein Tinnitus, das Andenken habe ich noch 🙁 . Ich will dir keine Angst machen, es wird besser und wieder gut, aber auch funktionierende Frauen und besonders Mütter brauchen Tankstellen und Inspektionen – damit wir wieder gut gewartet durchs Leben gehen können und vor allem wieder Spaß macht.

    • Liebe Dagmar,
      machst mir keine Angst – ich danke Dir vielmehr, dass Du mich nochmal so eindringlich warnst!
      Ich denke, mein Körper hat mir da ein eindeutiges Signal gegeben – und ich kann wirklich noch von Glück sprechen und zufrieden sein mit seinem Warnschuss
      Alles Liebe für Dich und auf dass Du nur noch auf den Körper hören musst, weil er Hunger oder Durst anzeigt! 🙂

  3. Weinen ist so wichtig. Manchmal bin ich froh allein zu Hause zu sein und richtig heulen zu können.
    Wie oft kommen mir die Tränen beim einkaufen, beim arbeiten, in Situationen in denen es einfach nicht passt. Darum tut es gut, mal in Ruhe, ganz in Ruhe weinen zu können.
    Einfach die Tränen laufen lassen, bis nichts mehr kommt.

    • Liebe Marie,
      ja, genau dieses Weinen meine ich – ich muss erst wieder lernen. Gut so, dass Du es kannst und es tust! Lass die Tränen raus, lass den Schmerz raus und glaube daran, dass es irgendwann wieder gut wird – anders, aber auch gut!
      Ich drück Dich ganz feste – Du machst das klasse!

  4. Ich kann es auch noch, das richtige Weinen, wie jetzt beim Lesen deines Textes.
    Aber ich mach es auch am liebsten für mich allein zu Hause, obwohl es ja eigentlich nichts schlimmes ist auch in der Öffentlichkeit zu weinen. Bei Konzerten passiert es mir öfters mal das die Tränen rollen und ich bin dann froh das meistens der Saal abgedunkelt ist.
    Ich finde weinen befreit mich jedesmal und es tut gut.

    • Liebe Ulrike,
      gut, dass Du es noch kannst – ich wollte mit meinem Text zwar niemandem zum Weinen bringen, aber Du hast ja Recht: es tut einfach gut!
      Ich vergieße auch bei fast jedem Film Tränen – und Musik kann mich absolut zum Weinen bringen…

  5. Ich kann auch ständig und überall weinen (das ist glaube ich Erbmasse).
    Wir haben in unserer Familie so viel durch, dass ich nicht mehr nach links und rechts schaue, bevor meine Tränen mich übermannen.
    Bei traurigen Anlässen sowieso, aber gerade auch bei schönen Anlässen.
    Meine Tochter guckt dann schon immer in meine Richtung und sieht den Pippi aufsteigen.

    Mein Vater war ein „Musterstück“ im Weinen.
    Egal, ob Geburtstags Gratulation, Weihnachten mit allen unterm Baum oder wenn er über seine viel zu früh im Krieg verstorbene Mama erzählte (er war damals 12 Jahre und der Älteste und hat sich bei ihrer Beerdigung hinter dem Ofen verkrochen).

    Ich habe vor zwei Wochen bei einem Besuch im Tarzan Musical (es war wunderschön) geweint, am Anfang als die Gorillamama „You will be in my heart“ gesungen hat und am Ende als Tarzan eben dieses Lied für seine „Mama“ gesungen hat. Mir war ganz wurscht das viele Menschen um mich rum waren.

    Liebe Grüße und lasst Eure Tränen ruhig rollen, es befreit so sehr.

    • Liebe Bärbel,
      ich musste lächeln und hatte feuchte Augen gleichzeitig bei Deinen Zeilen… Bewundere Deinen Vater, dass er so weinen kann – das zeigt doch viel mehr, was er durchgemacht hat und dass er dennoch zu seinen Gefühlen stehen kann: DAS ist Stärke!!! Und Du trägst sie auch in Dir!

  6. Ich empfinde Weinen als anstrengend und befreiend gleichzeitig. Ich glaube, ich habe in den letzten acht Monaten so viele Tränen vergossen wie in den 42 Jahren vorher nicht zusammen. Und auch ich musste erst lernen, vor anderen Menschen zu weinen. Das hat sich aber zum Glück gelegt.

    Ich habe gemerkt, dass viele einfach unsicher sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Ich habe ihnen dann signalisiert: Hey, mein Weinen muss euch nicht unangenehm sein. Ihr müsst auch nicht peinlich berührt sein oder euch dafür entschuldigen, dass ein Gespräch o.ä. bei mir zu Tränen führt. Denn im Endeffekt war das Gespräch ja nur der Auslöser, die Ursache liegt ganz woanders. Und damit können die meisten dann gut leben: Sie nehmen es hin, wenn ich weinen muss, entschuldigen sich nicht mehr, schauen nicht weg und akzeptieren meine Tränen. Nehmen mich vielleicht in den Arm oder weinen sogar eine Runde mit mir.

    Und wenn jemand nicht mit meinen Tränen umgehen kann, dann ist das sein Problem, nicht meins. So einfach.

    • Super, Esther! Das ist super gesagt und eine tolle Einstellung. Und es ist doch so, dass die Trauer genauso zum Leben dazu gehört wie die Freude – genauso wie der Tod, wie die Geburt, wie die Hoffnung und wie die Liebe. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung und will „Gehör“ finden…
      Ich möchte die Tränen jedenfalls auch wieder in mein Leben holen – und zwar so wie sie kommen und so, wie sie gehen möchten: ohne Riegel und ohne Kontrolle meinerseits!

  7. Ich kann seit 2004 nicht mehr weinen .
    An einem Sonntagabend im Mai verstarb meine Mutter innerhalb von 3 Stunden.Mitten aus dem Leben gerissen.
    Als ich begann darüber zu weinen herrschte mich meine Schwiegermutter an mit den Worten“ Reiss dich zusammen du hast eine Familie zu versorgen“!!
    Diese Aussage hat bei mir einen Knopf eingeschaltet, der mir das Weinen fast unmöglich macht.
    Über das Verhältnis zu diesem Menschen möchte ich nichts sagen.
    Ist mittlerweile auch schon verstorben

    • Liebe Renate,
      schlimm, was Dir Deine Schwiegermutter da gesagt hat – denn klar: Du hast eine Familie zu versorgen, aber in aller erster Linie hast Du für Dich selber zu sorgen. Und wie soll man das tun, wenn man sich selber vergisst? Und zum Versorgen gehört eben auch, dass man seine eigenen Gefühle zeigt – dass man seinen Kindern zum Beispiel zeigt, dass man traurig ist – sie spüren es doch sowieso.
      Versuche bitte, diesen Knopf wieder zu finden – und drücke ihn ganz feste in die andere Richtung! Trauere um Deine Mutter, so wie sie es verdient hat! Dafür ist es nicht zu spät – ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles Liebe!!!!

    • Liebe Renate,
      fühl‘ Dich in den Arm genommen ! Und bitte denk‘ daran : Wir sollten nie den Menschen, die unsere Werte nicht teilen, die Möglichkeit geben, unser Leben derart zu beeinflussen, dass wir nicht mehr wir selbst sind ! Dieser “ Knopf“ sollte nur den Menschen zugänglich sein, die Dich lieben und Deine Reaktionen achten … also fühle, weine und trauere , für all‘ das ist es nie zu spät !

  8. Glaubt ihr wirklich, dass man sich das Weinen zurück erobern kann? Bei mir ist es so, dass ich nicht nur nicht weinen kann, ich kann auch nicht mehr fühlen. Natürlich berühren mich bestimmte Dinge -sowohl positiv als auch negativ -, aber wirklich zu mir durchdringen können sie nicht. Fühle mich innerlich tot, leider will mein Körper sich nicht anschließen. Kann man Gefühle /fühlen lernen? ??

    • Liebe Susanne,
      ich weiß genau, wovon Du sprichst – denn dieses Gefühl, kein Gefühl mehr zu haben, kenne ich auch! Dieses innerlich wie tot – das erschrickt mich jedes mal und ich finde das ganz schlimm.
      Wenn es bei Dir zu einem Dauerzustand geworden ist, dann kann ich Dir nur gut zureden, dass Du Dir Hilfe holst – in welcher Form auch immer. Selbst die tiefsten Täler sind besser als diese innere Leere – ich weiß das zu gut!
      Ich glaube tatsächlich, dass man sich da rausholen kann, dass man wieder lernen kann, Gefühle zu zu lassen – denn die sind ja nicht weg! Sie sind da und klopfen an Deine Seele… Du kannst lernen, bei dieser wieder die Türe zu öffnen – davon bin ich komplett überzeugt!
      Lass Dir helfen – vieles davon musst Du alleine machen, aber Du musst es nicht alleine schaffen! Und auch ich bin gerne für Dich da!

  9. Ich mag jetzt nicht mehr auf FB weiter schreiben, das ist mir dann doch zu „öffentlich“. Die Tränen kommen immer wieder hoch – vielleicht waren es am Wochenende zu wenige, weil ich sie immer wieder versucht habe zu unterdrücken.
    Der Anlass klingt für euch vielleicht banal: Mein Sohn hat sich nach über 5 Jahren von seiner Freundin getrennt. Es war für beide die erste Beziehung. Für uns mehr und weniger nahe Stehenden kam das völlig überraschend. Er hat mir in einem langen Gespräch einige Gründe erklärt. Trotzdem ist es richtig schmerzvoll, weil man viel gemeinsam erlebt hat und sie mit zur Familie gehörte und mit der anderen Familie ebenso eine Freundschaft gewachsen ist. Auch wenn wir uns jetzt versprochen haben, mit ihr und ihrer Famile den Kontakt zu halten, ist es schon wie ein Verlust und ich weiß aus anderen Situationen (wie z.B. Umzug oder Stellenwechsel), dass dieses Kontakt halten sehr schwierig ist. Klar, es ist sein Leben und er soll glücklich sein – aber trotzdem… Es tut weh!

    • Liebe Christina,
      das ist doch nicht banal…!!!!!!! Ist doch vollkommen verständlich: ein Mensch, der Dir ans Herz gewachsen ist und den Du quasi mit-verlierst. Ich verstehe das sehr gut, dass man da traurig ist und weint! Davon mal abgesehen, ist der Grund, weswegen man Tränen vergießt, doch ganz egal und individuell. Das Wichtige ist doch, dass man es sich erlaubt und es völlig okay für einen selber ist, dass man trauert. Nur so kann es eben auch wieder besser werden – und tut dann irgendwann nicht mehr so weh! Das wünsche ich Dir von Herzen!

    • Ach Christina, Du hast mein volles Mit-Gefühl. Ich selbst habe auch eine große Trauer erlebt als meine jüngere Tochter ihren ersten Freund verabschiedet hat. Er war so ein lieber Mensch, fast wie ein Sohn für mich mit einer richtig netten Familie im Hintergrund. Ihn zu verlieren und vor allem, ihn dann so leiden zu sehen, hat mich fertig gemacht. Habe mich damals richtig schuldig gefühlt, dass ihm “jemand aus meiner Familie” diesen Schmerz zugefügt hat. – Die Idee, mit den ehemaligen Liebespartnern unserer Kinder den Kontakt zu halten, ist zwar schön aber wohl dauerhaft schwierig zu verwirklichen. Dein Sohn wird eine neue Freundin haben und seine jetzige Freundin soll sich ja auch hoffentlich irgendwann wieder neu verlieben…… aber das ist Zukunftsmusik und im Moment ist es für sie bestimmt erst einmal wohltuend, dass ihr sie als wertvollen Menschen nicht “abserviert”.

  10. Liebe Uta,
    was für ein Thema , kaum hatte ich angefangen diese Zeilen zu lesen, kullert es mir nur so über die Wangen 😢 Als sehr sensibler Mensch kann ich gut fühlen was du meinst, immer nur stark sein zu müssen und nach außen zu funktionieren ist auf die Dauer tödlich, und ja keine Schwäche zeigen … von wegen, irgendwann holt es dich eh ein, und ich habe es gelernt aus Selbstfürsorge und für meinen Seelenfrieden, und kanns dich nur bestärken -auch du schaffst es „Heul einfach“ und zwa nicht leise, klein und unbemerkt , nein ich meine ganz laut und ehrlich und von ganzem Herzen 😅 Es wird es dir so sehr danken 😄 Ich kann mittlerweile schon lange wieder sowohl über wunderschöne als auch sehr traurige Dinge weinen, es ist unglaublich befreiend und wohltuend. Niemand kann es dir nehmen so zu sein wie man fühlt ☺️
    Fühl dich gedrückt 🤗😘

    • Liebe Kati,
      ach, Du Tolle!!!! Sensible Menschen sind halt eben auch sehr emphatisch und weinen für einen mit – das sollst Du aber gar nicht… Muss ich schon selber machen… 🙂
      Ja, immer nach außen stark sein müssen – das macht krank auf die Dauer, das merke ich ja jetzt. Und nun brauche ich ein Ventil, um all das peu a peu rauszulassen, was da so festhängt. Da sind Tränen auf jeden Fall schon mal gut!
      Ich drück Dich auch!!!!!!

  11. Menschen weinen, nicht weil sie zu schwach sind, sondern weil sie eine unerträglich lange Zeit zu stark waren. Luebe Uta. Das passt sicher auf deine Situation. Aber man muss sicher seiner Tränen nicht schämen. Wir ich schon mal sagte. In unserer langen Arbeit in der Selbsthilfegruppe sind ganz viele Tränen geflossen, aus Traurigkeit Ratlosigkeit oder auch aus Freude. Und nicht nur einmal haben wir auch geweint. Man kann lernen damit umzugehen. Und auch Jungen bzw. Männer dürfen weinen, nicht wie es früher hieß Jungen weinen nicht.

    • Das sehe ich genauso! Finde es furchtbar, wenn Männer nicht weinen „dürfen“… Ich fürchte, dass das immer noch in ganz vielen Köpfen ist! Ich erzähle meinem Sohn jedenfalls etwas anderes und finde es toll, wenn man weinen kann – ob Mann oder Frau!

  12. Liebe Uta! Ich bin eine richtige Heulsuse, wer mich kennt glaubt es nicht. Vor 14 Tage hab ich eine sehr traurige Reise nach Italien gemacht, um mich von meiner Freundin ( über 50jährige Freunschaft) zu verabschieden, für immer! Sie ist seit 1 Jahr an ALS erkrankt und schon in einem bedauerlichen Zustand, kann nicht mehr sprechen, künstliche Ernährung, künstliche Beatmung und täglicher Abbau ihrer Muskeln. Wir haben trotzdem auch gelacht, und abends wenn ich allein war hab ich nur geweint. Die ganzen Tage bedrückte mich, wie verabschiede ich mich von ihr. Kein „alles Gute“, gute Besserung – bis bald. Wir haben uns umarmt, ich konnte nichts sagen, sie ja sowieso nicht, und bin abgefahren und hab nur geheult. Mein Sohn hatte mich begleitet und auch getröstet. Nun denke ich ständig daran wie wird sie weiter leben? Wie lange? Sie weiß, dass man mit dieser Krankheit höchstens ca. 3 Jahre erwarten kann, und das Schlimme: alles versagt nur der Verstand nicht! Gestern bekam ich Hiobsbotschaft: Ihr Mann ist mit seiner Vespa verunglückt und hat 7 Rippen gebrochen, das macht alles so traurig und hilflos. Nun muss ihre Pflegerin den Mann auch noch versorgen. Wenn ich an all das denke werde ich ganz klein und sehr demütig, was klagen wir oft auf hohem Niveau !

    • Liebe Elli,
      ich bin grundsätzlich überhaupt kein Freund von dem Wort „Heulsuse“ – dann genau das geht ja in die Schiene, dass es angeblich schwach ist, wenn man weint! Ist es aber nicht – es ist stark, weil man zu seinen Gefühlen steht.
      Tut mir so unsagbar leid mit Deiner Freundin – ich weiß ja, wie das ist. Einer meiner allerbesten Freundinnen ist vor zwei Jahren verstorben und es war so hart, sie gehen zu lassen.
      Kannst Du nicht nochmal hinfahren jetzt? Ich glaube, das würde Euch beiden gut tun…

      • Uta, ich weiß nicht ob sie das möchte. Hinzu kommt, dass sie nicht gerade um die Ecke wohnt, das macht es auch so schwer. Ich wünsche ihr, dass sie nicht noch lange mit dieser schrecklichen Krankheit leben muss. Aber danach fragt niemand!

        • Nein, stimmt – danach fragt niemand.
          Weißt Du: ich kann Dir nur sagen, was ich machen würde: sie fragen, ob Du nochmal kommen sollst. Ob sie Dich als Freundin und Halt jetzt braucht. Dann hast Du Gewissheit und wenn sie „ja“ sagt, dann ist Dir ganz sicher kein Weg zu weit – ich kenne Dich doch schon ein wenig…

  13. Und was streiten wir oft um und über Nichtigkeiten – Dinge, Situationen, die es nicht wert sind. Ich versuche mir auch oft zu sagen, dass es anderen Menschen viel schlechter geht. Und doch muss man – denke ich – trotzdem die kleine üble Stimmung in sich selbst auch zulassen.

  14. Da hast du recht liebe Christina, aber wie sagt man so schön bei uns hier „jeder fühlt et sin“, da ist viel Wahres dran. Ab und zu überkommt einem eben auch der eigene Osel.
    Ich war am Samstag auf einem 50. Geburtstag einer lieben Freundin, da hab ich eine Freundin von Ihr getroffen, sie hatte vor zwei Jahren einen bösartigen Tumor in der Niere, dieser hat nun gestreut und zwar am Herzen. Sie ist bereits operiert worden, hat aber noch einen inoperablen an der Aorta und an der Lunge.
    Als wir uns sahen haben wir uns wortlos lächelnd in die Arme genommen (sie weiß über die Krankengeschichte meiner Familie gut Bescheid). Wir haben uns lange unterhalten und sie sagte: „Bärbel, heute ist ein guter Tag. Ich hab mich so auf heute Abend gefreut. Lass uns feiern.“
    Danach haben wir die Tanzfläche als die unsrige erklärt. Es war bedrückend und befreiend zugleich.
    Zum Abschied haben wir dann doch geweint, vllt. sehe ich sie nie wieder. Die Ärzte haben ihr nicht mehr viel Zeit gegeben. Trotzdem hofft sie, wie auch mein Bruder auf ein Wunder.

    Zuhause war ich dann auch ganz in mich gekehrt und habe reumütig überlegt, warum einen son bisschen Schwindel und Frauenleiden im Wechsel so oft belastet.

    Wichtig ist letztendlich was wir daraus machen und das wir unsere Empathie füreinander nicht verlieren. Und da ist Weinen alleine, oder im Kollektiv oft erleichternd, wenn auch nicht immer.

    • Liebe Bärbel,
      ich finde es schön und traurig zugleich, was Du schreibst!
      Schade finde ich allerdings, dass Du dann anscheinend zuhause ein „schlechtes Gewissen“ wegen der eigenen Probleme hattest – jeder hat sein Päckchen zu tragen und klar: es gibt immer Leute, die ärmer, kranker und gebeutelter sind als man selbst. Aber wie Du schon sagtest: man kann ihnen mit Liebe und Empathie begegnen, was Du auf diesem Fest gemacht hast. Sie hatte sicherlich ein schönes Fest und das hat ihr gut getan: DU hast ihr gut getan… Und mehr kann man leider oft nicht tun…

  15. Als ich mich vor vielen Jahren völlig unerwartet plötzlich mit zwei Kleinkindern alleinerziehend und partnerlos “vorgefunden habe”, da war der Schock so groß, dass ich abgesehen von den ersten Schmerzensschreien überhaupt nicht weinen konnte. Ich wollte es gern, aber es ging einfach nicht und ich habe dann versucht, mich durch meine angebliche Stärke und Unbesiegbarkeit selbst wieder ans Licht zu bringen. Irgendwie ist diese Rechnung auch aufgegangen. Was tief drinnen in mir alles kaputt war, das hat ja keiner sehen können und ich selbst habe einfach nicht genau hingeguckt. Habe dann irgendwann ein langes Gedicht geschrieben über meinen dunklen, inneren See aus ungeweinten Tränen, an dessen Ufer Kraniche sitzen…..obwohl ich glaube, ein Gefühlsmensch zu sein, waren meine Tränen in mir festgefroren und ich wusste nicht, wie ich sie auftauen konnte. Ich beneide Menschen, die sich einfach mal “ausweinen” können!!! Gottseidank kann ich es heute wieder ein bisschen besser und jedesmal, wenn ich weinen muss, bin ich richtig froh darüber und habe das Gefühl, da sind auch viele Liter aus diesem alten See mit dabei – auch wenn der Anlass ein ganz anderer ist, – das tut jedesmal richtig richtig gut.

    • Liebe Lydia,
      ja, so wie Du das sehr treffend beschreibst, so kenne ich das auch. Ungeweinte Tränen setzen sich fest und dieser kalte „Klumpatsch“ wird immer größer in einem. Irgendwann wird es zum Automatismus: man lächelt weiter, man funktioniert, man zieht die Bewunderung anderer auf sich, die einen für unumstößlich halten – und man selber wird innerlich immer toter und leerer.
      Sehr gut, dass Du dabei bist, das Weinen wieder zu lernen

  16. REINHARD MEY’S Songs seiner letzten 3 Alben „Mairegen“ „Dann machs gut“ und „Mr.Lee“
    haben oft die Krankheit , den Abschied vom Sohn im Mittelpunkt…
    Über das Taschentuch zum Weinen gibts auch ein ganzes Lied…

  17. Da es hier zwei Christinas gibt, hab ich meinen Namen mal ein wenig abgeändert.
    Wird ja sonst ziemlich verwirrend. LG

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