Eine echt schöne Geschichte

Da ich diesen Blog ja schon sage und schreibe über sieben Jahre schreibe, hat sich das natürlich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gut rumgesprochen und etabliert. Viele lesen ihn mehr oder weniger regelmäßig und kommen dann auch immer mal mit einem Themenvorschlag um die Ecke gehüpft, was ich natürlich dankbar annehme. So auch eine wunderbare Kollegin, die mir vor kurzem eine Geschichte geschickt hat, die ja „eventuell auch etwas für Deinen Blog wäre.“ Ich hab sie gelesen und gedacht: „Na, und ob!“ Und deswegen hab ich sie für Euch aufgeschrieben – sie stammt von Harry Buschmann:

„Zwei schwer kranke Männer liegen in einem Krankenhauszimmer. Einer der beiden darf sich für eine Stunde am Tag hinsetzen, damit die Flüssigkeit aus seinen Lungen besser abfließen kann. Sein Bett steht neben dem einzigen Fenster des Zimmers. Der andere Mann liegt flach, die gesamte Zeit über.

Die Männer kommen ins Gespräch, verstehen sich gut. Sprechen über alles. Über ihre Leben, ihre Jobs, ihre Frauen, ihre Reisen. Und an jedem Nachmittag, wenn er aufrecht sitzen darf, erzählt der Mann am Fenster dem anderen, was er da draußen sieht. Schildert es ganz genau, die Farben, die Bäume, die Menschen und Vögel, die Enten, die im kleinen See des Parks schwimmen. Die jungen Liebenden, die Hand in Hand gehen. Die Kinder, die spielen.

Der Mann am anderen Ende des Zimmers schließt seine Augen und die Worte seines Nachbarn werden zu prächtigen Bildern. Eines Tages beschreibt der Mann am Fenster, wie eine Parade im Park vorbeizieht. Zwar kann der andere sie nicht hören hinterm versiegelten Fenster. Aber er kann sie sich in seinem Inneren bestens vorstellen.

Tage vergingen, Wochen, Monate. Eines Morgens, als die Krankenschwester den Raum betritt, findet sie den leblosen Körper des Mannes am Fenster. Er war friedlich im Schlaf gestorben. Sein Leichnam wird herausgebracht. Sobald es angemessen scheint, fragt der andere, ob er den Platz tauschen könne, um nun selbst am Fenster zu liegen. Man erfüllt ihm den Wunsch gern. Obwohl die Ärzte ihm verboten haben, sich aufzurichten, wagt er es. Er nimmt alle Kraft zusammen, dreht sich zur Seite und stemmt sich auf einen Ellbogen. Da ist es, das Fenster zur Welt … und es zeigt: nichts. Nur eine nackte, graue Wand.

Völlig irritiert fragt er die Krankenschwester, warum der Mann ihnen von all diesen Dingen erzählt habe, die er angeblich gesehen hat. Sie antwortet: „Hat er es ihnen nie erzählt? Er war blind. Er konnte auch die Wand nicht sehen. Vielleicht wollte er Ihnen einfach nur Mut und Kraft spenden.“

Schön, oder? Und es zeigt sehr klar, dass geschenkte Freude nicht nur den Beschenkten glücklich macht, sondern auch denjenigen, der selbstlos handelt.

16 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Eine wunderbare Geschichte ,liebe Uta
    Ich kenne sie noch aus meiner Kirchenarbeit mit den Konfis.

  2. Ich kannte die Geschichte zwar auch schon, aber sie ist so unglaublich schön. Und auch wenn die beiden Männer nicht mehr hüpfen konnten, so hatten sie doch ein hüpfendes Herz.

  3. Das ist so wunderbar! Oft braucht es nur kleinste liebe Gesten, um Licht und Wärme in die Herzen zu verschenken.

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen sehr berührenden Spielfilm von Paolo Virzi nach dem Buch des Amerikaners Michael Zadoorian hinweisen: „Das Leuchten der Erinnerung“ (The Leisure Seeker). Es zeigt die tiefe Liebe des alten Paares Ella und John (verkörpert von der wunderbaren Helen Mirren und dem großartigen Donald Sutherland), die sich ein letztes Mal in ihrem klapprigen Camper auf eine bewegende Reise von der Ostküste nach Key West begeben und die Stationen ihres Lebens noch einmal Revue passieren lassen. Ella ist unheilbar schwerstkrank (Krebs im Endstadium), was ihr zunehmend demenzkranker Mann John aber nicht ahnt bzw. realisiert. Sie versucht, die ihr verbliebene Kraft zu bündeln und feiert mit ihrem Liebsten, der zunehmend geistig starke Aussetzer zeigt, so gut es geht noch einmal ausgelassen das Leben. Die selbstverständliche Innigkeit zwischen den Beiden ist tiefbewegend und lässt tatsächlich vergessen, dass hier zwei überragende Schauspieler ihr Können unter Beweis stellen!! Unvergesslich und absolut sehenswert!

    • Liebe Gabi
      Du hast das Ende dieser großen berührenden Liebe nicht erwähnt.
      Ella weiß, dass sie nur noch ganz kurz zu leben hat und will John nicht alleine zurücklassen. Bei meinem Mann und mir flossen reichlich Tränen, als Ella John das Glas mit dem tödlichen Saft reicht und es dann selber trinkt.

      • Aaaaah, jetzt haste aber ganz schön „gespoilert“, liebe Monika…. ich versuche, das jetzt ganz schnell wieder zu vergessen, weil ich den Film ja noch anschauen möchte!!!! 🙂 🙂 🙂

      • Liebe Monika, ganz bewusst habe ich das Ende nicht erwähnt, weil es doch schade ist, alles schon vorwegzunehmen. Sicher möchten einige hier den Film noch ansehen, der vor kurzem wieder im TV gezeigt wurde. Es ist so berührend und erschütternd menschlich.

        Die Tropfen führten nicht zum Tod, Ella nahm sie ja häufig ein, um besser schlafen zu können. Der Grund ist ein anderer.

        • ok,
          ich habe den Film am 13.7 noch einmal in 3sat gesehen und auch das Buch gelesen.

          In Leuchten der Erinnerung erhält John von Ella ein Glas mit einer Flüssigkeit, die sie selbst hergestellt hat. Diese Flüssigkeit enthält eine Mischung aus Medikamenten, die für John bestimmt sind. Es ist eine Art Sterbehilfe, die sie ihm gibt, um seine Leiden zu beenden.

    • Oh, den Film kenne ich gar nicht, liebe Gabi… klingt nach vielen Uta-Tränen! 🙂 Den muss ich mir wohl unbedingt mal ansehen, vielen Dank für den Tipp!!!!!

      • Auf jeden Fall und ja, es trifft Dich mitten ins Herz, liebe Uta, einfach nur wunderbar umgesetzt, weit entfernt von jedem Kitsch und Schmelz!!! Viel Heiterkeit, Lebensfreude und reichlich schräge Situationen bedingt durch Johns Aussetzer. John ist glühender Ernest Hemingway-Fan, daher die Tour Richtung Key West. Er ist nicht etwa ein „Tattergreis“, sondern fährt auch souverän den Camper und hat so manches drauf.

        Leider ist „Das Leuchten der Erinnerung“ in der 3sat-Mediathek (zumindest bei vodafone) nur noch bis zum 12.08.2024 abrufbar; habe es gerade nochmal gecheckt. Der Film wird aber sicher später wieder mal gezeigt. Habe ihn seit 2018 nun zweimal gesehen und lasse mich jedes Mal wieder gerne einfangen. Zum Heulen schön!

          • Hier ist es sommerlich warm und fast zu schade, um abends schon drinnen zu sein. Aber da sämtliche Mücken mich offensichtlich gerne im Visier haben, flüchte ich dann meist ins Haus.
            Herzhüpferfilme mit Tiefgang helfen mir (so wie ein gutes Buch) um das Weltgeschehen vorübergehend auch mal auszublenden.
            Bittersüße Gänsehautmomente auch bei „Die Brücken am Fluss“ (Meryl Streep, Clint Eastwood). Sich zwischen DER Liebe des Lebens und Fürsorge für Familie und Ehemann entscheiden zu müssen, eine (Taschentuch-)Zerreißprobe!
            Dir hoffentlich weiterhin Gute Besserung, Uta! :-))

          • Du wirst es nicht glauben, aber ich habe tatsächlich auch genau an diesen Film gedacht, als Du den „Das Leuchten der Erinnerung“ beschrieben hast – ich LIEBE „Die Brücken am Fluss“ und muss jedes Mal sooooo sehr weinen, wenn die von mir so verehrte Meryl Streep auf dem Beifahrersitz im Rückspiegel Clint Eastwood immer kleiner werden sieht und die Hand auf dem Türöffner hat…
            Gestern Abend habe ich Deinem Tipp gefolgt und „Das Leuchten der Erinnerung“ geschaut – ein wunderbarer Film mit einem schmerzlich zu vermissenden Donald Sutherland… DANKE für den Tipp! Das war wirklich tränenhaft schön

  4. Ja, die Szene im Auto ….. vor allem als er im strömenden Regen mitten auf der Straße stand, mit hängenden Armen und sie einfach nur anblickt ….. Ich hoffte, sie würde zu ihm laufen!
    Den Film sah ich zum ersten Mal im Inselkino und es war noch hell, als ich wieder auf die Friesenstraße trat. Musste mein Rad schieben, weil die Tränen immer wieder kullern wollten. Einfach schön :-))

    • Oh ja – ich hoffe es jedes mal wieder, dass sie zu ihm läuft… genauso, wie ich immer wieder hoffe, dass die Titanic den Eisberg doch nicht rammt… 🙂

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