Gedanken über gute Sätze 1

Ich habe ein paar Sätze gefunden, die ich bemerkens- und gedankenswert fand – sprich: ich habe mich mal näher mit dem einen oder anderen auseinander gesetzt und möchte Euch nun an diesem Denkstrudel teilhaben lassen. Ich hoffe, es wird Euch nicht allzu schwindelig dabei… 😉

Je größer die Wut, desto älter der Schmerz

Gerade mit dem ersten starken Gefühl in dieser Aussage habe ich mich schon länger beschäftigt. Das Thema Wut steckt wohl in jedem von uns ganz tief irgendwo drin – manchmal offener ausgelebt, sehr oft unterdrückt – wozu uns unsere Erziehung gebracht hat. Ich denke, ich kann da hier so allgemein von sprechen, dass wir zum großen Teil eher zu Bescheidenheit, Rücksichtnahme und wenig gesundem Egoismus erzogen worden sind.

Ein kindlicher Wutanfall – zum Beispiel bei dem Klassiker vor dem Süßigkeitenregal im Supermarkt – wird von uns meist mit mitleidigen Blicken auf die armen Erziehungsberechtigten quittiert. Ich glaube, da ist aber oft auch einiges an SELBST-Mitleid dabei… das man sich eben nicht (mehr) traut, seinen starken Wut-Gefühlen so einen Raum zu geben und sie dadurch loszuwerden. Unsereins schluckt da den Ärger viel zu oft runter – oder agiert zum Beispiel im geschützten (weil gefühlt schalldichten) Raum Auto wie ein Rumpelstilzchen mit sehr schlechten verbalen Manieren… ich zähle auch dazu und manchmal vergesse ich dabei sogar, dass meine Kinder hinten drin sitzen und ganz rote Ohren bekommen…

Und was ist das, was uns so wütend macht? Was ist es, was uns antriggert, empfindliche Seelen-Stellen so berührt, dass wir diesen tiefen Zorn in uns spüren?

Meiner Meinung nach hat der Satz da sehr viel Wahrheit: Dinge, die uns immer schon verletzt haben, die uns unter die Haut gehen, bei denen wir uns ungerecht behandelt fühlen und die uns wirklich zu schaffen machen, die sind wie Schorf auf einer Wunde. Kratzt man wieder daran, fängt es wieder an zu bluten und kann nicht heilen.

Die Wut und der Schmerz – das sind zwei ganz alte Kumpanen in unserer Gefühlswelt, die sich quasi blind verstehen und sich ganz großartig aufeinander verlassen können. Und schwächen wir den einen, dann wird auch der andere kleiner…

Wenn uns also etwas total sauer macht – oder wenn dem Herzen weh getan wird, dann sollten wir uns wehren – nicht verkriechen und die beiden Freunde (Wut und Schmerz) nach vorne lassen. Unangenehmes ansprechen, für uns selber einstehen – und Platz schaffen für die leichten, schönen Dinge im Leben.

13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo Uta, auch ich bin ein Rumpelstilzchen und lasse oft, gern und lautstark meiner Wut und meinem Schmerz freie Bahn.
    Leider kommt das oft nicht so gut an und ich muss etwas tun das ich nicht so gern mache..
    mich entschuldigen.
    So ist für mich oft die Abwägung lasse ich die unguten Gefühle zu und auch raus mit anschließender zerknirschter Entschuldigung. Oder aber ich versuche die Wut weg-zulächeln oder weg-zu hüpfen; diese Entscheidung ist oft die bessere weil sie das Zusammenleben für mich und meine Mitmenschen erleichtert.
    Meistens klappt das, aber wenn tiefer gehende Verletzungen aufgerissen werden sollten alle in meiner Nähe in Deckung gehen, es könnte dann furchtbar werden.

    • Boaaah!!!!
      Um des lieben Friedens willen bin ich auch zu einer Wut-weg-Lächlerin geworden. Aber manchmal gehen die Verletzungen zu tief und dann braucht auch meine Seele den lautstarken Befreiungsschlag!
      Diplomatie ist eine gute Sache, wenn man auf Dauer tatsächlich mit Ärger umgehen kann, ohne dass die eigene Gesundheit Schaden nimmt. Aber wer schafft das schon??

      • Ich habe länger über Deinen Kommentar nachgedacht – und mich gefragt, ob das wirklich gut ist, seine Wut „weg zu lächeln“. Also gesund für DICH!
        Ich denke immer, dass ein Gefühl, dass man nicht rauslässt, eben buchstäblich in einem bleibt. Und gerade Wut ist ja ein Gefühl, welches ziemliche Macht haben kann – eben auch ein klein wenig zerstörerisch. Wie Du schon sagst: die eigene Gesundheit darf unter der ganzen „lieben Frieden“-Geschichte nicht leiden!

        • Liebe Uta, ich meinte mit Wut-weg-lächeln NICHT, dass ich mir diese natürliche leidenschaftliche Emotion regelrecht verkneife. Denn das würde ja bedeuten, dass ich meine Gefühle gegen meinen Willen „runterschlucke“, verdränge und meiner seelischen Gesundheit damit auf Dauer selbst Schaden zufüge!
          Je nach Frustlevel spüre ich ziemlich schnell, ob mir eine „wütende Explosion“ Erleichterung bringen würde oder ob ich es um MEINES lieben Friedens willen SOUVERÄN weglächeln kann und mich im Nachhinein sogar noch gut fühle.

    • Liebe Angela,
      es ist sicherlich gut, da einen „gesunden“ Mittelweg für sich zu finden. Auch ich bin sehr emotional – und wenn ein Gefühl in mir hochkommt (und das sehr viel und sehr oft), dann mit aller Macht!
      Gefühlstechnisch bin ich eben extrem – und wenn ich wütend bin, dann bin ich eben SEHR wütend… und dann sollte man auch in Deckung gehen. Natürlich verfüge ich auch über Kontrolle – das gehört ja auch zum Erwachsen-Sein…
      Aber ich kann gut nachvollziehen, wie es Dir mit der Wut oft geht.

  2. Wo der Verstand aufhört, beginnt die Wut. Deshalb ist Wut ein Zeichen von Schwäche.“
    Dalai Lama

    • Ich neige mein Haupt ja gerne Richtung Staub, wenn ich weise Dinge des Dalai Lamas höre oder lese… aber in diesem Fall bin ich mit dem Satz einfach nicht einverstanden.
      Liebe Monika, vielen Dank, dass Du ihn hier geschrieben und mich so noch weiter zum Nachdenken gebracht hast.
      Ist ein interessanter Aspekt – aber ich sehe das nicht so, dass Wut ein Zeichen von Schwäche ist. Klingt so, als wäre Wut nichts anderes als Kontrollverlust und stets unberechtigt… und das ist es einfach nicht. Wut ist auch ein wichtiges Gefühl, was einem Mut und Antrieb geben kann, um für sich zu sorgen, für sich einzustehen und weiter zu machen.

    • Liebe Monika, der Dalai Lama ist wohl unbestritten eine weise Persönlichkeit!
      Ich denke aber, dass seine Äußerung in einem anderen Kontext stand, z.B. ist BLINDWÜTIGES (unbedachtes) Handeln sicher ein Zeichen von Schwäche. Das gilt zumindest für uns Erwachsene, die ja für ihr Vorgehen Verantwortung tragen.
      Mit einer durch seelische Verletzungen entstandenen, sogar aufgestauten Wut, die man dann auch heraus lassen sollte, hat seine Äußerung m.M. nichts zu tun.

  3. Ich bin schwach. Ich habe Wut
    Ich habe z. B. Wut, wenn ich sehe, wie der, von einem Narzissten ermutigte Mob, das Capitol in Washington stürmt.
    Oftmals wird die Wut von Trauer überlagert, gerade bei Frauen, mich eingeschlossen. Vllt. ist’s anerzogen. Ich bin da auch noch auf dem Weg einen guten Umgang mit dieser Grundemotion zu finden.

    • Siehe meine Antwort auf Monikas Kommentar, was den Satz des Daila Lamas angeht, liebe Sabine.
      Ich sehe das nicht so, dass Du schwach bist, wenn Du berechtigterweise wütend bist! Auch mich machen die Bilder aus den USA wütend – und ich bin es leider viel zu oft, wenn ich mir die Nachrichten anschaue und sehe, was die Menschen aus der schönen Welt machen. Und genau wie Du (und ich im Artikel auch) schon sagst: die Wut ist oft ein sehr guter Freund der Trauer oder des Schmerzes.
      Ich finde eben, dass jedes Gefühl – auch die eher negativ behafteten – eine Berechtigung haben.

      • Liebe Uta,
        so wie du es beschreibst, meinte ich das auch.
        Ich wollte damit nur ausdrücken, es ist für mich nicht maßgebend, ob meine Reaktion auf Ungerechtigkeit und Terror, als Schwäche angesehen werden.
        Herzliche Grüße
        Sabine

  4. Ein wichtiger Satz von meiner früheren Therapeutin lautet: „was lange gärt wird endlich Wut“.
    Angelehnt an etwas, das „wir“ als Kinder eingetrichtert bekommen haben: „was lange währt wird endlich gut“.
    Daran denke ich sehr oft!

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