Der freie Fall

Sicherlich kann man von Madonna halten, was man will… das ist sowieso immer Geschmackssache! Und davon mal abgesehen, dass sie immer für einen Zicken-Diva-Kommentar oder einen Skandal zum Augenrollen gut ist, weiß ich als alteingesessener Fan ganz gut über ihren anstrengenden Charakter Bescheid, denn ich habe mehrere Biographien über die Sängerin gelesen. Wahrscheinlich muss man im Showbusiness auch „über Leichen gehen“ können – rücksichtsvolle und skrupelhafte Menschen werden es wohl nicht so weit schaffen wie sie…

Ihre zwanghafte Weigerung, das älter werden zu akzeptieren, ihr Fitnesswahn, ihre Allüren… ja, das ist sicherlich die eine Seite – und auch ich habe ihren wenig rühmlichen Auftritt beim Eurovision Song Contest am Wochenende mit leicht verzogenem Gesicht verfolgt. Klar, da waren einige schiefe Töne bei, die man nicht wegdiskutieren kann.

Madonna soll damit auch nur stellvertretend für einen Umstand stehen, den ich hier wirklich mal von Herzen be- und anklagen möchte. Denn was habe ich für bitter-bitter-böse Artikel, Kommentare und Aussagen über die mittlerweile 60jährige nach ihrem Fernsehauftritt gelesen…

Und das finde ich immer schlimm – auch, wenn sie am Samstag in Tel Aviv halt nicht so mördermäßig gesanglich geglänzt hat: diese Person dann so dermaßen mit Dreck und verbal stinkenden Eiern zu bewerfen, das tut mir fast körperlich weh!

Wie gesagt – ich fand die Frau schon als Teenager einfach großartig, habe ihre Entschlossenheit, ihre Stärke und Wandelbarkeit bewundert – aber davon mal abgesehen: Madonna hat eine einzigartige Karriere auf ihr Lebensplakat gepinselt – sie ist darüber hinaus ja aber auch eine „ganz normale“ Frau mit Gefühlen, Herz und Verstand.

Und von diesem Beispiel mal abgesehen, finde ich das halt einfach erschreckend: ein Mensch macht etwas ganz lange gut, alle Welt feiert ihn und ist begeistert – doch kaum macht diese Person einen deutlichen Fehler, kommt der freie Fall. Eine Schlitterpartie in der Beliebtheitsskala und der Shitstorm, wie das heute so „nett“ heißt, beginnt. Manchmal kommt es mir so vor, als würden die Mitmenschen nur auf diesen Moment warten. Als würden sie jubeln und mit einem Auge schon auf den Ausrutscher lauern – hinterm Rücken schon die Misthaufen in der Hand haltend.

Habe ich auch schon ganz oft bei Fußballtrainern gedacht, dessen Mannschaft dann mal nicht den gewohnten Sieg mit nach Hause bringt und die vom großen Helden zum unbeliebten Buh-Mann werden – schneller, als man „Tor“ sagen kann.

Warum sieht man in solchen Augenblicken dann plötzlich nur diesen einen Moment und nicht das große Ganze? Warum gelingt es in diesem Bereich plötzlich, ganz im Hier und Jetzt zu sein und die Vergangenheit und Zukunft auf einmal keine Rolle mehr spielen zu lassen – wo man doch sonst ständig drauf schaut?

Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für alle Madonnas dieser Welt hochhalten: denn fallen, stolpern und falsch abbiegen, das passiert nun mal. Wichtig ist, dass man eben wieder aufstehen und weiterhüpfen kann.

20 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Bin kein Fan von Madonna, aber danke liebe Uta für deinen Artikel er spricht mir aus der Seele.

  2. Wenn man einen millionenschweren Auftrag annimmt und damit auch noch die eigene Promo für die neuen Songs verbindet, muss man absolute Perfektion und Professionalität abliefern und alle müssen das auch an dieser Stelle erwarten dürfen!
    Ich bin ein großer Madonna Fan und trenne trotzdem die geschäftliche Seite vom zugegebenermaßen menschlichen Dilemma.

    • Liebe Petra,
      ich weiß, was Du meinst – aber ich meine dabei eben noch etwas anderes: den Auftritt als solchen von Madonna – den kann man mit gutem Recht nicht gut finden und auch von mir aus sogar „beschimpfen“… aber was ich danach alles gelesen habe, DAS meine ich: da wird dann sofort Madonna als Künstlerin komplett infrage gestellt, alles, was sie jemals getan, gesungen und womit sie die Musikwelt geprägt hat. Die ganze Person wird mit Dreck überschüttet – nicht dieser Auftritt, der zugegebenermaßen nicht schön, perfekt und vielleicht auch nicht professionell war. Und das finde ich so erschreckend

  3. Du sprichst mir sehr aus der Seele, liebe Uta, danke!
    Ich bin kein Madonna Fan, aber das was du beschreibst – erst hochgelobt, dann fallen lassen, ist ein absolutes Unding. So geht man einfach nicht mit Menschen um!
    Danke fürs Lanze brechen!
    Liebe Grüße
    Annegret

  4. Ist doch wie im wahren Leben, verhält man sich immer sch****, ist dein Umfeld daran gewöhnt. Aber verhälst du dich stets vorbildlich u. begehst dann mal einen Fehler, wird darauf rumgeritten. Und alle positiven Eigenschaften werden plötzlich komplett außer Acht gelassen.

  5. Sie ist für mich die Allergrösste👍👍👍… „Don’t kry For Me Argentina“ … das Beste was ich je gehört habe… Danke Madonna… du bist eine tolle Frau… ❤👍❤👍❤👍

  6. Naja, ich fand sie ungeheuer herablassend und unfreundlich gegenüber ihren Gastgebern und dann kann sie nicht mal das wenige liefern, für das sie bezahlt wird?
    Im Februar habe ich Joan Baez in Hamburg gesehen. Die Frau ist 78, das pure Gegenteil von arrogant, behandelte alle Leute auf der Bühne gleich freundlich und war einfach nur beeindruckend gut. Sie hatte eine Sängerin dabei, die genial war. Die Frau stand neben ihr und sang die Stücke, die Joan Baez nicht mehr so super hinbekommt. Das ist Klasse, und hat nichts mit Alter zu tun.

    • Liebe Angela…
      ja – sicherlich hast Du mit Deiner Kritik was den Auftritt letzten Samstag angeht Recht. Um was es mir aber dabei geht: sie hat schlecht gesungen – ja! Sie ist sicherlich nicht die freundlichste Person – ja! Aber dass man sie nun eben komplett mit Häme und bösen Worten überschüttet – das hat sie nicht verdient – das hat nämlich niemand verdient!

  7. Ich habe am Samstag Abend gearbeitet. Habe nur von dem Madonna Auftritt gehört und mir ist dazu folgender Spruch eingefallen: „gute Taten bleiben oft unerkannt, böse Taten rennen durch alle Gassen.“ überall, egal wo, ob Nachrichten, Zeitung oder Internet schlechte und böse Dinge werden viel mehr breit getreten in unserer sensationslüsternen Gesellschaft. Wenn etwas nicht so ist, wie man sich etwas vorstellt, ist es gleich schlecht und muss in irgendeinerweise kommentiert werden. Aber jeder empfindet doch anders! Was dem einen gefällt ist für den anderen ein absolutes geht nicht. Ist doch nicht weiter wild, jeder ist anders und jeder ist menschlich ob Madonna oder du oder ich. Bleibt wie ihr seit, alle anderen gibt es schon! Zitat von Oscar Wilde. In diesem Sinne schönen Abend noch. 😃😃

  8. Grundsätzlich gebe ich natürlich allen Recht, die jegliche Hass-Tiraden unter der Gürtellinie, so wie es gerade bei Madonna geschieht, verurteilen! Natürlich ist das indiskutabel. Ich selbst war zweimal schockiert. Über die widerlichen Reaktionen und über dieses bizarr schräge Schauspiel, das Madonna da auf der Bühne (und auch schon vor ihrem Auftritt) hingelegt hat. Wie viele andere war ich sprachlos und überlege mir wirklich, ob bei Madonna evtl. Medikamente, Drogen, Alkohol oder einfach psychische Probleme zu diesem Desaster geführt haben…..?! Das war alles andere als normal und deshalb eher ein Anlass zum Sorgen machen als zum Steine werfen, finde ich. Dann gibt es da aber noch ein kleines “Aber”…..Ich kann mir vorstellen, dass die Heftigkeit der Reaktionen schon in starkem Zusammenhang mit Madonna’s arrogantem, überzogenen Verhalten zu sehen sind. Mir kommt der Spruch “Was wir säen, das ernten wir” in den Kopf. Wenn alles gut geht, dann lernt sie aus diesem Vorfall ein kleines bisschen Demut. Würde ihr gut stehen und von mir aus darf diese wirklich großartige Entertainerin dann auch mal ab und zu falsche Töne singen 😉

    • Ich selber habe den ESC gar nicht gesehen, mir Madonnas Auftritt nur im Nachhinein im Internet angeschaut – weil mich die vielen böse Artikel und Kommentare, die anschließend kein gutes Haar mehr an der Frau gelassen haben, neugierig gemacht haben… Ja, das war sicherlich keine Glanzleistung – ansonsten kann ich mir über ihren geistigen, körperlichen oder psychischen Zustand kein Urteil erlauben, denke ich. Nur Madonna selbst weiß, was los war/ist – und sie ist die einzige, die sich so richtig über ihren verpatzten Auftritt ärgern darf. (Wenn man das ganz materialistisch sieht, darf sich vielleicht noch der dicke Geldgeber ärgern…)
      Mich erschreckt es halt, dass man daraufhin ihre komplette Person und Karriere infrage stellt – das steht einfach in absolut KEINEM Verhältnis!

  9. P.S.: übrigens habe ich zum Thema noch einen Literaturtipp : das Buch “PAPA, WOHER KOMMT DER HASS ? – Gespräch mit meiner Tochter” von TAHAR BEN JELLOUN, (der ja mit dem Global Tolerance Award der UNO ausgezeichnet wurde) . Ich habe es kürzlich als Audio-Book mit einem sehr bewegenden Vorwort von Heiner Geißler gehört. Sein Kinderbuch “PAPA, WAS IST EIN FREMDER” steht als Nächstes auf meiner Wunschliste.

  10. Dies Frau ist überheblich, kann nicht singen und verhält sich augenscheinlich, diplomatisch gesagt, unmöglich.
    Warum sollte man damit Mitleid haben.

    Nachdenklich macht, dass für Menschen, welche immer wieder Andere schlecht behandeln, versucht wird Verständnis einzufordern.

    • Hallo!
      Wie gesagt: man kann von Madonna halten, was man will… und ich verstehe Deine Kritikpunkte. Du hast aber wohl nicht verstanden, um was es mir ging: ich habe in meinem Artikel den Umstand beklagt, dass man sich so oft mit Beleidigungen, Beschimpfungen usw. auf Personen stürzt, die sicherlich einen Anlass dazu geben: aber nicht mit ihrem ganzen Sein. Madonna hätte ganz sicherlich keine 40jährige Weltkarriere geschafft, wenn sie nicht singen könnte – das ist davon mal abgesehen auch Geschmackssache.
      Aber auch wenn einem der Charakter, die Kunst oder die Haarfarbe nicht passt: wer gibt einem das Recht, so böse über einen anderen Menschen zu urteilen? Wir alle kennen Madonna nicht persönlich – also können wir sie nicht be- und verurteilen.
      Und nochmal: Madonna steht da für mich nur als Beispiel… es geht mir vielmehr um das vorschnelle Urteil und das warten aufs Scheitern, um dann mit Dreck zu werfen.

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