Meine Seele hat es eilig

Heute möchte ich Euch mit einem ganz wunderbaren Text ins Wochenende schicken, der mir absolut aus dem Herzen spricht und der derzeit in den einschlägigen Portalen verschickt wird. Ich habe ihn mehrfach bekommen, ihn jedes mal wieder gelesen und bewundert.
Verfasst hat ihn Mario de Andrade (San Paolo 1893-1945) Dichter, Schriftsteller, Essayist und Musikwissenschaftler. Er gilt als einer der Gründer der brasilianischen Moderne.
Nehmt Euch ein wenig Zeit und lasst seine großartigen Gedanken auf Euch wirken – besonders der letzte Satz hat es mir angetan:
__________________________
Meine Seele hat es eilig.
Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt,  dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel Bonbons gewonnen hat: die ersten isst sie mit Vergnügen, aber als es merkt, dass nur noch wenige übrig sind, begann es,  sie wirklich zu genießen.
Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen,  bei denen die Statuten, Regeln, Verfahren und internen Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen, dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen , die ungeachtet ihres  Alters nicht gewachsen sind.
Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Besprechungen sein, in denen aufgeblasene  Egos aufmarschieren.
Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten.
Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Positionen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.
Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren. Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile. Ohne viele Süßigkeiten in der Packung.
Ich möchte mit Menschen leben, die sehr menschlich sind.
Menschen, die über ihre Fehler lachen können, die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden.
Die  sich nicht vorzeitig berufen fühlen und die nicht vor ihrer Verantwortung fliehen.
Die die menschliche Würde verteidigen und die nur an der Seite der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.
Es ist das, was das Leben lebenswert macht.
Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen, die Herzen anderer zu berühren.
Menschen, die durch die harten Schläge des Lebens lernten, durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen.
Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig, mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann.
Ich versuche, keine der Süßigkeiten, die mir noch bleiben, zu verschwenden.
Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden, als die, die ich bereits  gegessen habe.
Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen, in Frieden mit mir, meinen  Lieben und meinem Gewissen.
Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast.

Wolkensonne

16 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Schließe mich meinen Vorgängerinnen gerne an!!!
    Vor einer Woche habe ich diesen Text auch bekommen. Als ich ihn einer eher pragmatisch lebenden Freundin weitergeleitet habe, machte sie einen ironischen Kommentar dazu. Da hab ich diesen spaßeshalber wieder gelöscht.
    Kurz darauf kam die Frage:“ Kann ich’s nochmal sehen?“😇☺

  2. Dem ist nichts hinzuzufügen und wirklich stimmig. Würde ich blind unterschreiben 😊.

    Allen ein erholsames Wochenende.

  3. Wow, de Andrades Zeilen sind so zutreffend und zugleich berührend. Seine Gedanken treffen mein Herz, mehr noch: sie sprechen mir aus der Seele. Liebe Uta, Du schenkst uns immer wieder wertvolle und bereichernde Denkanstöße. Dafür danke ich Dir ganz herzlich!!!
    Dir und allen hier ein schönes Sommerwochenende.

  4. Liebe Uta, danke fürs teilen ❤😘.
    Komischerweise habe ich das Ich-hab-nicht-mehr-viel-Zeit-Gefühl schon etwas länger. Mit 60 habe ich mich gefragt, was will ich alles noch machen in meinem restlichen Leben? Dann kommen nach einiger Zeit solche Antworten wie in dem wunderschönen Text.
    Nochmal DANKE und liebe Grüße von
    Dagmar-57

Schreibe einen Kommentar zu Uta Jentjens Antworten abbrechen

Pflichtfelder sind mit * markiert.