Die Schneekugel

Es gibt Menschen, die sie leidenschaftlich sammeln. Der wohl bekannteste ist der deutsche Philosoph Walter Benjamin, der ein guter Freund Berthold Brechts war. Erfunden wurde sie vor über 120 Jahren in Wien von Erwin Perzy, dessen gleichnamiger Enkel heutzutage Schneekugeln im Familienbetrieb produziert. Auch in der Stadt und bestimmt sehenswert ist ein Schneekugel-Museum, welches die Geschichte und zahlreiche verschiedene Motive zeigt.

In einer Schneekugel befinden sich weiße, kleine Teilchen aus Kunststoff, die beim Schütteln aufwirbeln und sich dann wie Schnee langsam wieder absetzen. Die Kugeln enthalten meist kleine Figuren oder Miniatur-Landschaften, die beim Schütteln „eingeschneit“ werden.

Ich habe sie als Kind auch schon sehr geliebt und hatte mehrere Versionen. Zu gern hab ich sie in den Händen gehalten, habe sie geschüttelt und dann gespürt, wie Ruhe sich in mir breit machte, während sich der „Schnee“ langsam absetzte und sich die Szene geräuschlos beruhigte.

Und ich finde – unsere Gedankenwelt ist auch ganz oft wie eine Schneekugel. Durch heftiges Schütteln, durch zu viele Einflüsse, durch die Schicksalshand wird unser Leben plötzlich unübersichtlich, scheinbar chaotisch. Die Gedanken wirbeln herum, fliegen hier und dort hin und verschleiern die Sicht auf das, was doch eigentlich schon immer da war.

Oftmals lohnt es sich auch hier, abzuwarten, dem Gedanken-Schnee Zeit zu geben und ihm dabei zu zu schauen, wie er sich absetzt – langsam, aber sicher. Und zu sehen, dass das Bild der eigenen Wirklichkeit dann wieder klarer wird und sich unerschütterlich zeigt.

Und so wie es auch bei der richtigen Schneekugel der Fall ist: auch im Leben darf es ruhig mal trubelig zugehen, das macht es doch erst interessant. Unser Lebensmotiv bleibt dann vielleicht manchmal etwas verborgen, erstrahlt dann aber umso mehr, wenn sich der Sturm gelegt hat.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Also, bei mir wird es schon seit 4 Jahren geschüttelt … Aber man muss sich immer wieder sagen: Es hat auch seine guten Seiten …

    • Liebe Claudia,
      ich kann aus eigener Erfahrung sagen: es ist echt ziemlich anstrengend, wenn über Jahre geschüttelt wird. Aber es stimmt auch, was Du schreibst: es hat auch seine guten Seiten – und manchmal braucht es tatsächlich das Chaos, um wieder richtig aufzuräumen – oder um beim Bild der Schneekugel zu bleiben: manchmal braucht es den krassen Sturm, um anschließend wieder buchstäblich klar zu sehen.

  2. Oh ja, das Leben hat auch stürmische Zeiten und wenn wir die Herausforderung angenommen haben und daran gewachsen sind, leuchten wir um so klarer.

    Liebe Uta, ich bin begeistert über Dein tolles Gleichnis, DANKE!

  3. Bei mir wird auch schon seit ein paar Jahren geschüttelt,aber dieses Jahr so heftig,das ist schon ein Orkan.
    Ich versuche aktuell immer wieder ruhig zu werden und zuzugucken,aber das fällt mir echt schwer.Es geht gerade alles so rasend schnell,das ich selber nicht mehr mitkomme.
    Vor 4 Wochen war noch alles normal,jetzt muß ich in ungefähr 3 Wochen den Reset Knopf drücken und alles aber wirklich alles ist anders.
    Übrigens ist meine Schneekugel mit buntem Konfetti gefüllt,mal was zur Erheiterung 😁
    Und wenn sich das Konfetti in meiner Schneekugel wieder gesetzt hat,dann steh ich da drin und schreie:“Am Aschermittwoch ist alles vorbei!“Und fange wieder von vorne an.
    Ein schönes Wochenende …

    • Liebe Petra,
      ja, das Leben meint es gerade heftig bei Dir und es gilt, jetzt ganz neue Ideen zu entwickeln, wie es trotzdem irgendwann wieder richtig gut werden kann. Vor allem gilt es, darauf die Hoffnung nicht zu verlieren. Da Du gerade im „Auge des Sturms“ stehst, kannst Du da auch gar nicht zugucken – ich Moment setzt sich der „Schnee“ ja noch gar nicht bei Dir, sondern alles wirbelt noch durcheinander. Da würde es Dich eher noch durcheinander bringen, da versuchen, einzelnen Gedanken (Schneeflocken) folgen zu wollen. Lass es im Moment einfach geschehen – die Zeit, in der Du zur Ruhe kommen und das Sinken der Schneeflocken beobachten kannst, wird kommen – ganz, ganz sicher!

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