Nur 4 Buchstaben

Wenn man meine Eltern über mich und meine Kindheit sprechen hört, wenn sie also von der kleinen, stets heiseren Uta mit den oft blutigen Knien und Flecken in den Hosen erzählen – dann sollte man nicht meinen, dass ich mit dem heutigen Thema so dicke Probleme habe.

Ich denke, man kann tatsächlich davon ausgehen, dass mir das Leben mit den Jahren etwas anderes beigebracht hat und ich es irgendwie verlernt habe, für mich selber einzustehen. Als Kind habe ich so oft zu hören bekommen: „Tja, die Uta… der weiß eben ganz genau, was sie will… und auch, was sie nicht will!“ Diesen Umstand habe ich immer noch absolut in mir – aber ganz oft ist der umschattet von nicht angebrachter Höflichkeit, Angst vor Zurückweisung und der Sorge, nach einer erfolgten Selbstachtung nicht mehr dazu zu gehören.

Deswegen tue ich mich so schwer mit dem Wort:

„Nein“

Vier harmlose kleine Buchstaben, ein sehr gebräuchlicher Begriff, den man in ganz vielen Sprachen kennt und sagen kann – aber der einem in vielen Situationen dann doch echt schwer über die Lippen kommt.

Bestes Beispiel: auf der Arbeit. Es ist Herbst, die Erkältungszeit hat begonnen. Und auch auf unserer Station ist derzeit beinahe jeden Tag eine Kollegin oder ein Kollege am Telefon, um sich krank zu melden. Was in unserer Situation = Umgang mit vielen Patienten, insbesondere Kindern ja auch wirklich Sinn macht, um nicht alle anderen noch anzustecken. Schon mehrfach bin ich eingesprungen, habe Dienste übernommen – das hat mir nichts ausgemacht, habe ich gerne gemacht.

Als jetzt letzten Freitag das Klingeln des Telefons wieder deutlich machte: es fehlt jemand am Wochenende und der Blick auf mich fiel, kam ich echt in Bredouille. Ich hatte mich so auf zwei freie Tage gefreut, wollte etwas mit meiner Familie unternehmen und musste mich echt überwinden, aber…

Trommelwirbel, Fanfarenchöre, Konfettibombe…

Ich habe es geschafft: ich habe „Nein“ gesagt.

Und war dann echt hin- und hergerissen zwischen Stolz auf mich und einem schlechten Gewissen. Ihr seht: ich darf da noch schön dran arbeiten… 🙂

Wie geht es Euch damit? Könnt Ihr das besser? Und was ist Eure Taktik dabei?

16 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hi Uta, das war auch für mich ein Lernprozess!! Es war nicht einfach, aber letztlich hat jedes „nein“ dazu beigetragen es zu fühlen wie gut es damit geht! Natürlich muss man auch die Wichtigkeit immer kurz für sich abwägen.

    Ein „nein“ ist ein kompletter Satz der auch keinerlei Erklärung bedarf!

    Viel Erfolg im Lernprozess!!
    Lg. Dieter

    • Vielen Dank, lieber Dieter! Dass „Nein“ ein kompletter Satz ohne weitere Erklärungen darstellt, war ja auch schon mal Bestandteil eines meiner Artikel… super, dass Du noch mal daran erinnerst! Man kann es gar nicht oft genug hören!

  2. Wer das „Nein“ gut sagen kann, diejenige kann doch viel besser gefragt werden. Denn dann wissen alle, dass ein „Ja“ auch wirklich gilt.
    Und auch ich finde, dass das „nein“ NICHT begründet werden muss.
    Eine Freundin von mir, auch im Krankenhaus tätig, geht nie an ihr Telefon, sondern lässt alle auf den AB sprechen. Dann kann sie in Ruhe überlegen, wie sie antworten möchte und ist nicht so überfahren.
    Finde ich eine gute Idee.

    • Find ich auch eine gute Idee, liebe Inge… meine Station ruft allerdings immer auf dem Handy an… man könnte natürlich die Mailbox aktivieren, aber ich bin gerne alleine wegen meiner Mutter eben gerne jederzeit erreichbar…

  3. Liebe Uta, ich kann Dich gut verstehen.
    Ich drehe die Sache um: ein JA für mich! (Und meine Bedürfnisse).
    Und es kann dann sein, dass ein JA für MICH, ein NEIN für jemand anderes bedeutet.
    Die Ausrichtung bei meiner Entscheidung liegt aber auf mir/ meinen Bedürfnissen. Nicht auf Ablehnung der Wünsche/ Bedürfnisse des Anderen.
    Wenn ich das so kommuniziere, dann wirds oft leichter- für beide Seiten.
    Nichts destotrotz darf auch ich lernen, die Disharmonie auszuhalten, die durch nein JA für MICH entstanden ist.
    Ein stetiger Lernprozess 😊😊

    Du hast gut für Dich gesorgt ❣
    Liebe Grüße,
    Andrea

  4. Gut gemacht, Uta!
    Es gibt überall Leute, die darauf bauen, dass andere für sie einspringen.
    NEIN!
    Das Wörtchen ist gut für Dich undDeine Kinder!
    Liebe Grüße aus Düsseldorf,

  5. Sage nicht ja, wenn du nein meinst. Sollte man sich öfter zu Herzen nehmen. Oft ärgert man sich doch hinterher, dass man wieder mal ja gesagt hat. Ich kenne das auch.

  6. Gerade am Montag habe ich dieses Wort ausdrücklich bei meinem Orthopäden gebraucht.
    Er wollte mir eine Cortisonspritze in das Hüftgelenk setzen.
    Ich habe mein NEIN begründet,er war erst nicht sonderlich erfreut,aber es gab dann doch eine andere Möglichkeit.
    Ich finde es überhaupt nicht schlimm ganz selbstbewußt Nein zu sagen,egal wo und bei wem.
    Vor vielen Jahren gab es mal einen Freund meines Sohnes,der wurde immer wieder bei mir abgeladen um die Mittagszeit und Mama ging dann in die Stadt etc.
    Irgendwann hatte ich die Nase voll davon,ich war mit meinem Sohn zu der Zeit alleine zu Hause und hätte auch sehr gerne mal Zeit gehabt.
    Beim nächsten mal habe ich dann ganz deutlich Nein gesagt und diese Mutter ward nie wieder gesehen,genauso wenig wie der „Freund“ meines Sohnes.
    Bei soetwas kann man auch sehr gut wahre Freundschaften erkennen.
    Liebe Grüße,
    Petra

    • Sehr mutig und im besten Sinne konsequent, liebe Petra! Daran kann man sich echt ein Beispiel nehmen. Und Du hast Recht: wer ein echter Freund ist, der akzeptiert eben auch ein „Nein“

  7. Ja, ein ehrliches Nein kommt manchmal schwer über die Lippen. Aber ein schlechtes Gewissen ist deshalb ganz und gar nicht angebracht!!! Wenn man hin und wieder aushilft und einspringt, wird das sicherlich von den anderen zu recht wertgeschätzt. Die Grenze, wo das aber ohne böse Absicht schnell als selbstverständlich empfunden wird, ist rasch überschritten und dann hat man erst recht ein Problem.
    Im übrigen finde ich genau wie Petra, dass wahre Freundschaften, gute Nachbarschaften und echte faire Kollegialität sicher auch mit einem Nein (und deshalb eindeutig klarem JA zu mir und meiner Familie) gut zurechtkommen werden.

    • Da hast Du vollkommen Recht, liebe Gabi! Das schlechten Gewissen ist überflüssig und unnötig – ich hab es trotzdem noch, aber ich arbeite ganz feste daran, dass es verschwindet! Denn das ist eine echte Hüpf-Bremse!!!!!

  8. Wie wahr die vielen Kommentare. Vor allem macht ein ständiges JA Dich selbst unzufrieden. Damit ist dann Keinem gedient. Aber ich kämpfe bzw arbeite auch noch dran. Evtl. ist das auch in unserer Generation Erziehungssache 🤔

    • Ja, das befürchte ich auch fast, liebe Martina. Ein „Nein“ hat in unserer Generation immer so einen Beigeschmack… holen wir es uns zurück!!!!!

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