Am Wochenende hatte ich eine Situation mit meiner pubertierenden Tochter, von der ich Euch gerne erzählen möchte. Denn ich habe mich meiner Meinung nach nicht richtig verhalten – und da ich gerne aus so etwas lerne und ich denke, dass auch Ihr eventuell Euren Nutzen daraus ziehen könnt, komme ich nun unverblümt mit der Wahrheit um die Ecke.
Ich hatte meine Kinder nach unten gerufen, um ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Und meine Tochter kam völlig verzweifelt, ganz schön heftig weinend die Treppe herunter. Ich war ganz erschrocken, vermutete bereits, dass einer ihrer Degus vielleicht plötzlich tot im Käfig liegen würde… nur stockend und stammelnd rückte mein weiblicher Nachwuchs mit dem Grund heraus. Sie hatte an ihrem Laptop ein Spiel gespielt, bei dem man sich seine eigene Welt gestalten kann – und sie hatte sich wohl eine Insel aufgebaut mit ganz viel Palmen, Hütten, vielen Tieren usw. Dann war sie von diesem Eiland weggeschwommen – oder besser gesagt, ihr Avatar – und nun konnte sie die besagte Insel nicht mehr wiederfinden.
Jetzt, wo ich es so tippe, komme ich mir selber ganz böse vor – zu meiner Verteidigung möchte ich auch erwähnen, dass ich in meinem ganzen Leben noch kein einziges Computerspiel oder ähnliches gespielt habe. Ich habe da null Sinn für und empfinde es als die absolute Zeitverschwendung. Bei dem Anblick meiner schluchzenden Tochter, die nun tatsächlich einige Stunden scheinbar „umsonst“ vor der Tastatur gehockt hatte, konnte ich nicht anders: ich hab sie erst groß angeschaut und musste dann lachen…
Ich hab es einfach nicht fertig gebracht, Verständnis für ihre Situation und ihren Kummer aufzubringen. Habe sie zwar in den Arm genommen – aber dennoch war das natürlich kaum noch ein Trost nach meiner ersten Reaktion.
Mir ist erst ein gigantisches Licht aufgegangen, als mein Freund zu mir sagte: „Du musst Dir das mal so vorstellen: Du hast stundenlang an einem Text gesessen, daran rumgefeilt, bis Du super zufrieden damit warst. Und dann drückst Du versehentlich einen Knopf und alles Geschriebene ist weg…!“
Da fiel es mir wie Schuppen von der Seele. Er hatte absolut Recht – nämlich, dass ich absolut KEIN Recht dazu hatte, die Traurigkeit meiner Tochter als nicht berechtigt, übertrieben oder belanglos darzustellen. Niemand sollte die Position eines anderen infrage stellen, seine Gefühle klein reden oder darüber urteilen. Wir alle hüpfen nur in unseren eigenen Schuhen durchs Leben – und wissen nie, wie sich das in den anderen anfühlt!
Das schlechte Gewissen hat mich wie eine Keule erwischt – und ich habe mich am nächsten Morgen von Herzen bei meiner Tochter für meine unsensible Art entschuldigt… und das Ganze hatte dann sogar noch ein weiteres Happy end, denn gestern tauchte die vermisste Insel doch wieder am Bildschirm-Rand auf… 🙂
Liebe Uta,
herzlich willkommen in der Welt der Pupertiere, das wird noch besser, denn Jungs 🎮zum Teil noch ganz andere Spiele und schreien in ihre 🎧 und schlagen auf die Tischplatte…Wie ich dich einschätze sind diese Zeiten bei deinen Kindern streng geregelt, ich war auch so eine Strenge,aber so ca ab 15/16 hilft auch hier nur noch Vertrauen, und so lange Schule, raus gehen und Freunde in der realen Welt wichtig bleiben ist in meinen Augen das Zocken schon dazugehörig….ich bin mit über 50 immer noch eine Zockerin sei es virtuell oder Karten mit anderen am Tisch, genauso süchtig bin ich aber auch nach 📚und meinen Handarbeiten.
Mein Sohn ist nun 18 und verbringt auch viel Zeit am 💻..zur Zeit ist es doch auch sehr schwer für die Teenies…Freunde treffen kaum möglich, Sportverein, Feuerwehr etc alles geht nicht!
Dein Lachen war wirklich nicht schön, aber ich denke du hast ein sehr gutes Verhältnis zu deinen Beiden, so dass dir der Ausrutscher bestimmt schon verziehen ist. Ich hab vor Zorn auch schon mal das Interet aus und wieder angemacht, das weiss er zum Glück bis heute nicht….ähnliches kenn ich von allen Üttern in der Nachbarschaft und Freundeskreis….
Setz dich doch mal ein paar Minuten neben Johanna und lass dir das Spiel erklären und beobachte was sie da macht…
Liebe Grüße Petra
Liebe Petra,
nein, mein Lachen war nicht schön – auf der anderen Seite fand ich es auch wieder gut, weil ich meinen Fehler ja eingesehen habe und es wichtig fand, dass meine Tochter das auch sieht/spürt! So haben wir alle durch diese Lektion gelernt!
Ja, das „liebe“ Zocken… es ist mir ein absoluter Dorn in der Seele – aber wie Du schon sagst: im Moment ist es auch schwierig, weil die Kids fast nichts anderes machen können. Deswegen bin ich da derzeit auch etwas großzügiger – solange sie ihre Schulsachen geregelt bekommen…
Liebe Uta.
Da Computerspiele der Unterganges des Abendlandes
sind 😉, hätte ich ebenso gehandelt wie du.
Aber auch der Vergleich, den dein Freund gezogen hat, hätte mich getroffen und ebenso zum Umdenken gebracht.
Mir fällt bei dieser virtuellen Inselgeschichte eher der verstörende Zustand, nach dem Erwachen aus einem Alptraum, ein. Man ist noch irgendwie von der Situation gefangen, obwohl eigentlich klar ist, dass man einfach der misslichen Lage entkommen könnte.
Zudem haben PC Spiele in der Pandemie, bestimmt auch noch mal eine andere Bedeutung für Jugendliche. Aber ehrlich gesagt, kann ich gar nicht gut mit Onlinespielen bei Jugendlichen umgehen.
Ich bin nur froh, dass mein Sohn erwachsen ist. Das doch sehr häufige Reglementieren der PC- Zeiten, empfand ich früher immer als emotional sehr aufreibend.
Puuh!
Ja, liebe Sabine – so empfinde ich das auch! Sehr anstrengend… zumal ich da eben auch NULL Sinn für habe und es einfach nicht verstehen kann, wie man dafür auch nur eine Minute verschwenden mag! Da wird es in unserem Haus wohl leider immer wieder Diskussionen geben in den kommenden Jahren… seufz!
Ich weiß gar nicht, ob ich mich trauen sollte, das zu schreiben, vielleicht liege ich auch komplett daneben: Könnte es evtl. sein, dass bei Deiner Tochter da im Unterbewusstsein etwas mehr dahinter steckt? Abschied von der Insel? Von Juist??? Aber wie auch immer, es ist toll, dass Du Dich hinterfragst, das wird auch Deine Tochter zu schätzen wissen.
Liebe Claudia – grundsätzlich: hier darf jeder alles schreiben!!!!
Ich denke aber nicht, dass Du damit Recht hast. Ich kenne meine Tochter ja ziemlich gut – und ja, sie hat sich schon schwer getan, vor bald 4 Jahren von der Insel zu gehen. Einfach schon, weil sie ein Mensch mit starken Wurzeln ist und keine Veränderungen mag. Aber jetzt hat sie hier wirklich ein tolles neues Zuhause gefunden, wirkliche Freunde und sie ist angekommen. Ich habe sie letztens noch gefragt, ob sie zurückgehen wollen würde nach Juist – und sie hat es ohne zu zögern verneint. Und da wir ein sehr ehrliches Verhältnis haben, würde sie mir das sonst auch sagen
Das ist superschön, liebe Uta! Dann entschuldige bitte meine Mutmaßung 😘!
Es gibt NICHTS, wofür Du Dich entschuldigen müsstest, liebe Claudia!!!!!!!
Die Kids stehen in diesem Alter ja untereinander in einem ständigen Vergleich und Wettbewerb, halt auch in Bezug auf Computerspiele (wer ist am geschicktesten, hat den „längsten Atem“ usw.) So etwas dann mal nicht optimal zu packen oder das Spiel gar versehentlich wegzudrücken, ist in diesem Alter noch ein mittelgroßes Drama, aber auch ganz schnell wieder vergessen. Ich wette, dass das Deine Tochter in zwei, drei Jahren ganz anders sehen und belächeln wird.
Liebe Uta, Du hast Deine (eigentlich sogar verständliche) Spontanreaktion aufrichtig bedauert und genau so ist es auch bei Deiner Tochter angekommen und nur das zählt zwischen Euch!
So sehe ich das auch, liebe Gabi – ich finde es im Nachhinein sogar richtig gut, wie es gelaufen ist… denn so hat meine Tochter gelernt, dass es okay ist, einen Fehler zu machen – wenn man sich Gedanken darüber gemacht, ihn zugegeben und um Entschuldigung gebeten hat. Ich habe auch an ihrer Reaktion darauf gemerkt, dass es uns beiden nicht geschadet hat: ganz im Gegenteil!
Liebe Uta, ich finde die Reaktion deines Freundes toll und auch wie du dann darauf reagiert hast. Es ist doch toll, wenn man zu seinen Fehlern steht und offen damit umgeht. Nur so kann Vertrauen und Miteinander sein auch gelebt werden. Und auch für deine Kinder, dein Sohn hat es sicherlich auch mitbekommen, ist es doch toll und eine Erfahrung für das Leben, auch die Erwachsenen machen dumme Fehler, oder reagieren mal blöd, aber können auch dafür einstehen und sich entschuldigen. Sind wir da als Mütter, Eltern nicht auch ein Vorbild? Genauso habe ich es von meinen Eltern gelernt und auch heute noch entschuldige ich mich für meine Fehler, Unachtsamkeit und manchmal auch für meine Ungeduld 🙈. Und es geht mir gut damit, sowohl privat als auch beruflich. Zum Thema PC Spiele – ich bin auch kein großer Fan davon, mit meinen Kids habe ich es damals so gehandhabt – zum Taschengeld gab es jede Woche „nenne diese jetzt mal Jetons“ bei mir waren es die Plättchen vom Flohhupsspiel 🙂 – 10 Stück, je nach Wunsch konnten diese eingelöst werden, TV Sendung z.B die Maus 1 Jeton, eine Stunde Internet 2 Jetons. Ich habe keine Ahnung ob das heute noch funktionieren würde, doch meine Kinder sagen mir heute noch, zwei davon arbeiten mit Kinder und Jugendlichen, Mama das hast du damals echt toll gemacht. Und das obwohl es da auch manche Diskussionen gab 🙂 Hat mich dann doch ein wenig stolz gemacht. In diesem Sinne liebe Uta hast du doch mit deinen Lieben an deiner Seite alles gut gemacht 🙂 Und meine Mum sagte immer: Fehler sind dazu da um gemacht zu werden, um daraus zu lernen und auch sich dafür zu entschuldigen wenn es angebracht ist. Bleibt bitte bitte gesund, passt gut auf euch auf und genießt jeden Sonnenstrahl.
Vielen Dank für Deinen ausführlichen und tollen Kommentar, liebe Heike! Dass mit den Jetons klingt wirklich nach einer ziemlich guten Idee – bei meinen Kids kommt es eventuell ein wenig zu spät (wobei man es mal ausprobieren könnte…), aber es lesen hier ja einige Mamas und Papas mit, die davon profitieren können!