Anpassung in der Kindheit

Heute soll es weiter um das Thema

gehen – und während ich im letzten Artikel da eher die Erwachsenenwelt (auf dem mürrischen Weg zur Arbeit) beleuchtet habe, soll es nun um das Universum der Kinder gehen. Denn da fängt meiner Meinung nach das Dilemma an…

Und das möchte ich gerne an einem Beispiel näher erklären – nämlich an der kleinen Uta:
Ich war ein sehr glückliches Kind – das man ganz wunderbar mit meinem Lieblingssatz von Astrid Lindgren zusammenfassen kann: „Sei wild, frech und wunderbar!“

Ein kleiner Wildfang, der meistens gut gelaunt und mit stets heiserer Stimme singend und schreiend durch die Gegend hüpfte – wenn die Stimmung kippte, tat man gut daran, das Weite zu suchen… Ich lebte in meinem Nimmerland, wurde von Herzen geliebt und hatte genauso viel Selbstbewusstsein wie Sommersprossen.

Die ersten Dämpfer kamen da mit Eintritt in die Schule. So im direkten Vergleich und im näheren Kontakt mit vielen gleichaltrigen Kindern, bemerkte ich schnell: irgendwas war anders… irgendwas war komisch… irgendwas sollte sich ändern…

Und rasch kam auch die Erkenntnis hinterher: „irgendwas“ – das kann dann wohl nur ich selber sein…! Aus der heutigen Sicht kann ich das sogar genau benennen, was nicht so passte. Denn obwohl ich durch und durch Kind war, keinerlei Verantwortung zu tragen hatte und ganz unbeschwert sein konnte – ich hatte schon ganz früh eine große Ernsthaftigkeit in mir: nämlich in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen.

Wo richtig feste Freundschaften, Loyalität bis über alle Grenzen und absolute Ehrlichkeit mehr ins Erwachsenenalter gehören, waren sie bei mir von Anfang an Bestandteil meines Denkens. Und damit eckte ich oft ganz schön an… auch, als es dann mit dem Interesse am anderen Geschlecht losging. Die Jungs ließen schön die Finger von mir, weil ich anscheinend schon mit 14 Jahren den Eindruck hinterließ: wer mich küssen will, muss mich auch heiraten! 🙂

Das ist nur ein Aspekt – und vielleicht kennen einige hier auch ähnliches von Euch selbst: als Kind ist es schlimm, wenn man anders ist, wenn man aus der „Norm“ fällt – und man beginnt, sich anzupassen. Man möchte nicht auffallen, nicht der Gegenstand des Tuschelns in der Pausenecke werden – lieber schön mit dem Strom schwimmen oder in der Herde mitblöken.

Das ist der Grundstein der Anpassung – ein Fundament des sich von einem selbst entfernen: das ich aber mit den Augen der kleinen Uta sehr gut verstehen kann.

Heute sind wir aber erwachsen – und haben die große Chance (und das jeden Tag), aus dem anders sein, aus dem Besonderen und den großartigen kleinen und großen Macken an und in uns eine Tugend zu machen. Sie ins Licht zu stellen und zu wissen: das ist unter Anderem etwas, was uns ausmacht – was uns unverwechselbar sein lässt und alleine deswegen so liebenswert!

Ganz nach dem Motto: Sei Du selbst – denn alle Anderen gibt es schon…!!!

 

15 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Man muss abends in den Spiegel schauen können und sich fragen „Was habe ich FÜR eine Sache getan“ und nicht DAGEGEN

  2. Liebe Uta, ich denke, dass die meisten Kids gar nicht unverwechselbar sein und damit „aus der Reihe tanzen“ möchten, weil sie sich in ihrer einheitlichen Gruppe einfach gut aufgehoben und bestätigt fühlen. Ihnen fehlt ja noch die Erfahrung, wie es sich als „einzigartiger, besonderer“ Mensch lebt. Kinder mit ausgeprägter, starker Persönlichkeit und sicher auch größerer Ernsthaftigkeit haben es da schon immer ein wenig schwerer, weil sie in ihrer „Herde“ als verunsichernd und daher als störend empfunden.
    Dein Motto „Sei ganz Du selbst…..“ kann auch ich heute voller Stolz unterschreiben.

    • Liebe Gabi,
      ja eben – das meinte ich: Kinder wollen angepasst sein, bloß nicht auffallen, weil das meistens „Ärger“ bedeutet… Und die Erfahrung fehlt ihnen wirklich – dass es nämlich völlig okay ist, wie man ist – bei jedem!!!!
      Wie schön, dass Du heute GERNE Du selber bist – ich kann das aus meiner Sicht nur bestätigen: Du bist super!!!

  3. LIebe Uta, ich finde mich in deinen Zeilen und Gefühlen wieder, wenn auch aus ganz anderen Gründen: Auch ich wurde von Herzen geliebt, hatte eine wunderbare Kindheit einschließlich Montessori-Grundschule und dann kam das Gymnasium … Lernen war mir immer leicht gefallen und in der Montessori-Schule „durfte“ es uns sogar von Herzen Spaß machen, die Welt zu entdecken …, aber in der Mittelstufe des Gymnasiums war das bei den Mitschülern völlig verpnt!!! Es kamen ältere Schüler in unsere Klasse, die sitzengeblieben waren, und sie übernahmen die Führung mit der damals so verbreiteten „Null-Bock-Haltung“. Sie waren uns anderen körperlich überlegen und sorgten für die zwangsweise „Anpassung“ all derer, die irgendwie nicht reinpassten ins Schema. Und das waren vor allem ein anderes Mädchen und ich.
    Auch wenn es sich für Außenstehende vielleicht übertrieben anhört, aber als dieses „Mädchen“ sich viele Jahre später das Leben genommen hat, war mein erster Gedanke aus dem Bauch heraus, dass dieser Prozess damals in der Schule seinen Anfang genommen hat, denn man hat dort versucht, uns „das Rückgrat zu brechen“!
    Ich selbst hatte glücklicherweise ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern und auch noch andere Freunde außerhalb der Klasse, so dass ich aufgefangen wurde, aber definitiv war das die Zeit in meinem Leben, in der auch bei mir die „heile Welt“ endgültig zerbrach.
    Heute im Rückblick bin ich froh, dass ich bis ins Alter von etwa 12 Jahren so frei und meistenteils glücklich aufwachsen durfte und so ein enormes Urvertrauen mitbekommen habe. Klar, früher wollte auch ich einfach nur dazugehören und von den anderen gemocht werden (also zum Beispiel zu den Geburtstagen eingeladen werden), aber heute kann ich auch sehen, wie stark mich diese Zeit gemacht hat. Und ich sehe auch den krassen Widerspruch zwischen unserer Leistungsgesellschaft, dem Streben nach Anerkennung, Statussymbolen und guter Position und dagegen diese Botschaft in der Schule, dass du als Kind automatisch als Streber abgestempelt wirst – egal, wie groß vielleicht deine Klappe ist – nur weil du gerne oder leicht lernst.
    Ich selbst umgebe mich heute viel lieber mit Menschen mit Ecken und Kanten als mit denen, die so stromlinienförmig und angepasst sind, dass sie einem in der Begegnung förmlich durch die Finger flutschen.
    Wenn wir uns für andere verbiegen und du jetzt beispielsweise auf lockere Mal hier-mal da-Freundin machst, kommen nur Krampf und Selbstverleugnung dabei heraus, die zutiefst unglücklich machen! Das kann nicht der Weg sein! Ich jedenfalls finde es wunderbar, dass du offensichtlich eine verlässliche Freundin bist :))) – ein Wert, der mir auch sehr viel bedeutet (siehe oben!)! Authentische Menschen tun sooo gut …

    • Liebe Melanie,
      vielen Dank für Deine Geschichte – die sehr traurig ist, denn sie zeigt, welche Auswirkungen es in der Kindheit später eventuell haben kann, wenn man ausgegrenzt wird. Ob Deine Freundin sich wirklich deswegen das Leben genommen hat, weiß man vielleicht nicht 100%ig, aber sicherlich werden ihre Erfahrungen nicht gerade zu einem guten Selbstwertgefühl beigetragen haben.
      Ich bin sehr froh, dass Du ein gutes Netz hattest, das Ganze bearbeiten und bewältigen konntest – und da auch heute drüber sprechen kannst.
      Und dass hat Dich auch zu dem Menschen gemacht, der Du heute bist – und der ist doch einfach großartig!

  4. Alle trugen damals Wrangler Jeans.
    Ich trug Palomino Jeans von C&A, weil die günstiger waren.
    War nie ein Problem für mich.

    Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!

  5. Hallo Uta,
    Ich habe soviele Gedanken dazu im Kopf, das ich sie erstmal sortieren muss.
    Anders sein, sich anpassen wollen, anpassen müssen oder es aber nicht zu schaffen und „leiden“müssen.
    Zum einem arbeite ich mit Kindern, die aus vielen unterschiedlichen Gründen anders sind und sich auf Grund ihrer Lebensgeschichte nicht angepssst verhalten können.Tagtäglich erfahre ich ihre Ausgrenzung durch erwachsene Menschen, sie sind zu anstrengend für unsere Gesellschaft, sie fallen aus dem Rahmen und gelten als z.B.hyperaktiv, verhaltensauffällig oder oder.
    Für das tagtägliche Leben sind sie eine Belastung und auch ihre Eltern werden als nicht angepasst beschrieben. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.
    Dabei sind genau diese Kinder ein Spiegel unserer Gesellschaft und sie versuchen nichts anderes als Zuwendung, Zeit und Akzeptanz zu fordern. Ich liebe die Arbeit mit Ihnen und es gibt sehr viel mit ihnen zu hüpfen,Spass zu haben und sie dort abzuholen,wo sie stehen und ich bin unermüdlich dabei sie zu schützen und sie vor den Erwachsenen zu erklären!
    Der 2.Aspekte, den ich gerne einbringen möchte, ist meine eigene Erfahrung mit dem Thema „anders“zu sein. Ich bin ein Scheidungskind, was im Jahr 1970 noch eine Seltenheit war.Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie schlecht ich mich immer gefühlt habe, wenn ich es Freundinnen erzählt habe bzw. zu Besuch bei „intakten“ Familien war. Es wurde erst einfacher, als ich andere Kinder kennen gelernt habe, die das gleiche erlebt haben.
    So zu sein, so zu leben wie es alle machen, was als normal gilt, ist erstmal einfacher und bequemer.
    Ich habe aber gelernt aus dieser(und anderen Situationen) stärker zu werden und selbstbewusster zu werden. Wahrscheinlich habe ich dadurch selbst gelernt, wie wichtig es ist, jeden zu akzeptieren und das es nicht wichtig ist, immer mit dem Strom zu schwimmen. Die Welt und die Menschen, die auf ihr leben, sind bunt und das ist gut so!!
    Zu diesem Thema kann man unendlich viel schreiben, es hat so viele Facetten.
    Ganz liebe Grüße
    Anna

    • Liebe Anna,
      da gebe ich Dir Recht – das Thema ist super umfangreich und ich denke, ich werde da noch einige Artikel zu schreiben… vielen Dank für Deine Gedanken dazu!!!
      Toll, dass diese Kinder jemanden wie Dich an ihrer Seite haben! Du hast alleine schon durch Deine eigenen Erfahrungen reichlich Verständnis und Empathie – und so, wie Du von ihnen und Dir schreibst, bin ich sicher, dass Du ihnen ein großer Fels sein kannst.

      Und ich sehe es wie Du: eine nicht ganz einfache Kindheit kann einen stärker machen!

  6. Danke für Deine lieben Worte, Uta!!! Kompliment zurück: mit Deinen tollen Anregungen und Deiner Empathie holst Du halt das Beste aus uns allen heraus!!!! Und noch etwas, liebe Uta, das Foto zeigt Dich so, wie man sich „die kleine Uta“ vorstellen muss: wild, frech, fantasievoll und mit großem Herzen. Und über all die Jahre hat sich daran ganz sicher nichts geändert. Wunderbar, dass es Dich gibt!
    Dir und allen hier ein schönes Wochenende.

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