Windige Zeiten

Was macht man am besten bei Chaos im Kopf?!?

Man stellt sich in den Wind und schmeißt seine vielen Gedanken, Sorgen, Nöte und Gefühle in den Sturm – in der Hoffnung, dass sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden, mit getragen werden und woanders hängen bleiben. Klappt natürlich nur bedingt und fast immer findet ein Großteil der Probleme wieder zu einem zurück. Man geht leichtfüßig nach Hause, sperrt die Türe noch doppelt ab und schließt vorsichtshalber auch noch das Fenster, um sich weiter abzuschotten. Und dann klopft es doch wieder, man öffnet ganz automatisch und – zack – ist die Seele wieder voll.

Dennoch habe ich es heute mal wieder gemacht: der Wind rüttelt derzeit ganz ordentlich an der kleinen Insel Juist und ich bin an den Strand. Hab mich durchpusten lassen, den fliegenden Sand auf meiner brennenden Haut gespürt, der Nordsee beim Toben zugeschaut und mein Herz geöffnet, um vieles fort zu schicken.

Es hilft ja oft schon alleine zu sehen, dass auch die Natur in echter Aufruhr sein kann – dass auch dort nicht immer Friede, Freude und Eierkuchen an der Tagesordnung sind. Man kann sich eins fühlen mit der Gewalt des Windes und kann sich in die große Kraft schmeißen – das Gefühl haben, beinahe mit gerissen zu werden und mal nicht zu hüfen, sondern die Beine in den Boden zu stemmen. Zu trotzen, mit zu rebellieren oder dagegen an zu schreien…

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Uta,
    ich möchte dir heute eine wahre Geschichte zweier Menschen erzählen, die ich vor drei Jahren kennengelernt habe: Eine ältere, sehr fitte Frau und ihr Mann, der schon Jahre zuvor an Alzheimer erkrankte und dessen Befinden immer schlechter wurde.
    Sie haben ihr Haus mit Garten, in dem sie 50 schöne Jahre gemeinsam gelebt haben, verkauft und sind in unsere kleine Stadt gezogen, in die Nähe ihrer Tochter mit Familie.
    Meine Freundin Claudia hatte die große Hoffnung, hier bei ihrer Familie, ihren Enkelkindern alles besser ertragen zu können , Hilfe zu bekommen und bei Spaziergängen im schönen Schwarzwald Kraft für den Alltag schöpfen zu können.

    Ein Jahr haben sie hier gelebt. Ihrem Mann ging es gleichbleibend, aber Claudia wurde hier immer trauriger. Sie hatte Heimweh. Ihre Freunde, ihr Chor, die vertrauten Menschen, ihre Heimat, all das fehlte ihr so sehr.
    Ich sehe sie heute noch, mit einem Strahlen im Gesicht, als sie mir erzählte, sie gehen wieder zurück. Ein Jahr, nachdem sie alles aufgegeben hatten.
    In eine kleine Wohnung, in den Ort , wo sie herkamen.
    „Einen alten Baum soll man nicht entwurzeln! “ das wurde mir in diesem Jahr ganz klar. Ich musste diesen Weg gehen, um das zu lernen. “
    Ich bewundere diese starke Frau, die ihren Mann bis kurz vor seinem Tod in diesem Jahr gepflegt hat und jetzt bei ihren Freunden in ihrer alten Heimat ihr Leben lebt.
    Für mich ist Claudia auch die Frau, die einem zeigt, dass man immer wieder,in vielen Situationen des Lebens zurück kann, wenn man nur den Mut und den Willen hat zu hüpfen.

    Liebe Uta, ich wünsche dir von Herzen ganz viel Kraft zum Hüpfen, dahin, wo dein Herz hin möchte und Ihr euch pudelwohl fühlt.
    Höre in Dich rein, die Antwort liegt bei dir.
    Ganz herzliche Grüße

    Astrid

    • Vielen Dank, liebe Astrid für die wunderschöne Geschichte!
      Claudia ist wirklich zu bewundern: eine Entscheidung zu fällen, erfordert bereits Mut – zu erkennen, dass diese falsch war und den Weg zurück zu gehen, umso mehr.
      Für mich ist dies absolut keine Option – dazu in Kürze mehr… Aber wunderbar, dass es Claudia geschafft hat und wieder hüpfen kann!

  2. Und manchmal bringt der Wind einen am Strand dann doch noch zum hüpfen.
    Nachträglich alles gute an deine Tochter 🙂
    Hoffe du hast ein paar schöne Tage und kannst sie geniessen.
    LG 🙂

  3. Liebe Uta,

    das Chaos in dir kann ich gut nachvollziehen, denn für dich hängen ja nicht nur schöne Erinnerungen an Juist. Aber: Aus meiner Sicht ist es besser, sich ein- oder wenn nötig mehrmals mit diesem Wirwarr direkt zu konfrontieren. Denn die Gefühle sind ja da, und unterdrücken bringt meiner Meinung nach nichts. Außer, dass Jahre später alles hochkommt. Dann lieber gleich alles anpacken, sortieren und verarbeiten. Augen zu (oder besser: auf) und durch. Denn, so zumindest meine Überzeugung: Nur, wenn du mit der Vergangenheit im Reinen bist, bist du auch dazu in der Lage, die Gegenwart und die Zukunft positiv zu gestalten.

    Dabei kann dein Juist-Aufenthalt dir sicher helfen. Auch wenn es sicher manchmal schmerzhaft ist. Aber für solche Momente gibt es ja den endlosen einsamen Strand, das Meer, die Wellen und den Wind. Und auch wenn die Gedanken nach dem Wegfliegen wiederkommen: Sie kommen meist etwas anders wieder. Vielleicht sind sie in einer anderen Anordnung, oder sie haben von ihrem Flug einen neuen Blickwinkel mitgebracht. Oder auf der Reise doch einen Teil verloren.

    Ich bin mir sicher, du findest einen Weg, um deine ambivalenten Gefühle in die für dich richtigen Bahnen zu lenken. Dir noch schöne und positive Tage auf der Insel!

    Esther

    • Liebe Esther ( mit dem wunderschönen Namen, den ich einer meiner Töchter auch
      gegeben habe :-)) – ich habe deine Gedankenzeilen nun schon zum zweiten Mal gelesen und finde es sehr, sehr toll ausgedrückt, wie Du Deine Lebenserfahrung da in Worte packst. Deckt sich auch total mit meinen eigenen “Erkenntnissen”!!!

      • Das ist ja lustig, liebe Lydia, dass deine Tochter – unbekannterweise – so heißt wie ich 🙂
        Beim Begriff „Lebenserfahrung“ im Zusammenhang mit mir musste ich allerdings schlucken. Da habe ich mich plötzlich uralt gefühlt… Obwohl ich natürlich weiß, dass Lebenserfahrung nicht nur was mit dem Alter zu tun hat und man auch mit Anfang 40 eine Portion davon abbekommen kann.

    • Liebe Esther,
      ja, ich habe viel über meine Situation nachdenken können in den letzten Tagen auf Juist und werde darüber in Kürze hier schreiben.
      Vielen Dank für Deine tollen Gedanken dazu – hat mich hüpfen lassen!

  4. Liebe Uta,
    ooooh jaaaa, ich kann es verstehen, dass Dich alles auf der Insel ganz schön in Aufruhr versetzt, wenngleich ich es vermutlich nicht ansatzweise wirklich nachfühlen kann…. denn…ich habe es nicht erlebt….durfte noch nie auf diesem schönen Eiland wohnen, sondern bin „nur“ im Urlaub hier…. allerdings bin ich dafür unendlich dankbar und genieße es jedes Mal aufs Neue.
    Dieses Jahr ergab sich keine Gelegenheit und ich vermisse das Töwerland ganz doll…..
    Genieße Du jetzt noch die Zeit und nimm alle Gefühlsregungen auf, jede einzelne davon ist wichtig und richtig.
    Ich habe heute einer Freundin, die gerade auf Juist ist, geraten, sich doch mal eine Weile in die katholische Kirche zu setzen und die Stille zu spüren und die Ruhe in sich aufzunehmen. Da sortieren sich die Gedanken und Gefühle bei mir auch immer…. Für mich ist dieser Ort jedes Mal ein muss, wenn ich auf Töwerland bin.

    Du hast die Tage gefragt, ob ich nicht mehr auf dem Blog vorbei schaue, wenn Juist keine Rolle mehr darin spielt ? Doch, aber nicht so häufig. Manche Themen und auch die vielen Kommentare dazu sind mir zuuuuuu philosophisch und verzeih, mir (als Frau ohne Kinder), oft auch zu Kinder- und erziehungs-lastig.
    Ich habe Deinen Juist-Blog geliebt und er hat mir über die töwerlandfreie Zeit oft hinweggeholfen….. das ist nun mal so.

    Dir und Deinen Lieben noch eine wunderbare Zeit auf der Insel…. sie wird Dir ganz bestimmt auf Deinem Weg auch wieder weiterhelfen….. und nun hüpf weiter.

    Liebe Grüße von der Soni

    • Vielen Dank für Deine offenen Worte!
      Stimmt, die katholische Kirche auf Juist ist ein besonderer Ort der Stille… da wage ich immer kaum zu atmen, um nicht zu „stören“…. 🙂

  5. Heute habe ich wieder mal etwas sehr “LebenströstlichBrauchbares”von R.M.Rilke gelesen: “DIE ZEIT HEILT NICHT ALLE WUNDEN. SIE LEHRT NUR, MIT DEM UNBEGREIFLICHEN ZU LEBEN”. Und so müssen wir wohl alle in unsere Biographie “Seltsamkeiten” integrieren, die wir eigentlich überhaupt nicht in unserem Drehbuch vorgesehen hatten.

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