Das Schatzkästchen

Gestern habe ich ja über mich als „Seelen-Messie“ geschrieben – also über die Art und Weise, wie ich jahrelang mit all meinen großen, starken Gefühlen umgegangen bin (und davon gab es aufgrund der Umstände sehr viele und sehr heftige): nämlich Seelentür auf, zum Beispiel Schmerz, Wut oder Angst rein und wieder schnell zuschließen. So habe ich Empfindungen gehortet – bis die Seele jetzt einfach komplett „zugemüllt“ war.

Bisher hatte ich diesem Umstand immer einen viel schöneren Namen gegeben und es „mein inneres Schatzkästchen“ genannt: war aber vom Prinzip her dasselbe: Deckel hoch, Verzweiflung reingeschmissen und zugeklappt – am besten noch ein Vorhängeschloss drangebaut. Teilweise habe ich es geradezu gespürt: diesen Kasten, wie er mitten in meinem Brustkorb steht. Und ich bin mir fast sicher: würde man mir mal den Oberkörper röntgen, dann würde der betreffende Arzt sehr staunen und meine Bilder als Sensation an die Bild-Zeitung verkaufen: „Frau lebte jahrelang mit Kasten in ihrer Brust“ – könnt Ihr Euch Schlagzeile in roten Buchstaben mit meinem Bild daneben vorstellen?

Und meine Idee davon ging noch weiter. Ich war mir ganz sicher: würde ich den Deckel mal öffnen – weit und nicht, um weitere Gefühle rein zu werfen, sondern mir den Inhalt mal anzuschauen, dann würde etwas ganz Schreckliches passieren: wie ein Tsunami würde all das Gehortete dann über mich hereinbrechen und ich würde ertrinken…

Da mir jetzt aber klar ist, dass ich mich vielleicht nicht von meinem schmucken Kästchen verabschieden muss, aber zumindest von seinem Inhalt, versuche ich es einfach mal „Schritt für Schritt“. Ähnlich wieder wie bei einem unordentlichen Zimmer: man erreicht ja wenig, wenn man da mit dem Hochdruckreiniger einfach durchfegt: dann ist einfach alles beschädigt oder rausgespült. Wenn man aber einfach mal anfängt: in einer Ecke, den Müll raussortiert, die wertvollen Dinge wieder hinstellt, mal abstaubt, Spinnweben entfernt – und dann so weitermacht: dann glänzt die Seele sicherlich nicht irgendwann wie bei einem neugeborenen Baby. Denn das Leben geht ja weiter und es kommt immer wieder „Dreck“ dazu – aber man bekommt wieder den Überblick und im besten Fall behält man das „Putzen“ dann einfach bei.

In diesem Sinne: bewaffnen wir uns mit Müllbeuteln, Staubwedel, lecker riechendem Reinigungsmittel und legen los beim Seelen-Hausputz – am besten dazu gute Musik auflegen…

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Uta,
    ich glaube, es macht wirklich Sinn, beim Aufräumen des Innersten schrittweise vorzugehen. So wie beim echten Aufräumen auch solltest du die Gelegenheit nutzen innezuhalten, wenn dir ein besonderes Stück in die Hände fällt, von dem du vielleicht gar nicht mehr wusstest, dass du es überhaupt noch hast. Und dir genau überlegen, was du in Zukunft damit machst. Aufbewahren? Wegwerfen? Restaurieren?
    Denn so wie du geschrieben hast: es finden sich bestimmt auch wertvolle Dinge wieder, die beim schnellen Hausputz einfach weggefegt würden. Und diese wertvollen Dinge (etwa schöne Erinnerungen und positive Erfahrungen) helfen ganz sicher dabei, wieder lächelnd nach vorne zu blicken.
    Dass dieses Lächeln zurückkehrt wünsche ich dir und allen, die gerade auch „Seelenputz“ machen!

  2. Hallo Uta,
    was du in den letzten beiden Tagen geschrieben hast hat mich sehr beschäftigt.
    Man sollte wirklich nicht zu viel schlechtes ansammeln. Vielleicht müssen wir lernen nur die guten Sachen in unsere Kiste zu lassen und die schlechten entweder ganz schnell aussortieren oder gar nicht erst rein lassen.
    Mach weiter so.
    Karin
    Ps: Schreibst du nicht mehr bei Ankerherz?

    • Doch, ich denke, ich werde wieder beim und für den Ankerherz-Verlag schreiben – es steht aber noch ein Gespräch darüber aus, denn ich möchte die Thematik grundlegend ändern… werde ich noch drüber berichten.
      Ganz liebe Grüße

  3. Liebe Uta,
    ich kenne das gut – ich nenne es meinen Tresor …..
    Ich glaube, dass er eine Weile seine Berechtigung hat, es gibt eben Zeiten im Leben, wo frau funktionieren muss – aus den unterschiedlichsten Gründen (z.B. in der Zeit, als ich mit 4 kleinen Kindern alleine da stand).
    Da ist so ein Tresor hilfreich und möglicherweise unerlässlich. Problematisch wird es meiner Erfahrung nach erst, wenn frau sich nicht rechtzeitig daran macht, den Tresor zu entrümpeln, zu sortieren, aufzuräumen. Sich wie meine Vorschreiberin schon sagte, Stück für Stück anzugucken und dann zu schauen, was mach ich denn damit?
    Ich persönlich habe das alleine nicht geschafft, ich habe mir dazu Hilfe gesucht um überhaupt erst einmal einen Anfang zu finden.

    Ich stelle fest, dass es ein Dauerthema bleiben wird: immer wieder muss ich ran an den Tresor und weiter aufräumen, ausmisten, sortieren (wie das mit Aufräumen eben so ist) …. und es ist ein gutes Gefühl, wenn frau dann in die hintersten Ecken kommt und es auch dort langsam ordentlicher wird! 🙂

    Inzwischen habe ich zusätzlich zu meinem Tresor ein Schatzkästchen – dort sammel ich wertvolle und schöne Erinnerungen! Dort haben Stress, Angst, Schmerz, Not absolutes Zutrittsverbot!
    Im Schatzkästchen sind viele Dinge die mir viel bedeuten. Das mache ich gerne auf und gucke hinein, krame ein wenig und genieße all die guten Dinge die darin sind und dann wird mir ganz warm ums Herz 🙂

    Ich glaube, dass es gut ist, wenn mein Schatzkästchen gut gefüllt ist und mein Tresor immer aufgeräumter und leerer wird.

    Manches aus dem Tresor wird vielleicht nie ganz verschwinden – so wie meine Blinddarmnarbe auch nie verschwindet. Aber das darf sein finde ich- es werden immer auch im Tresor solche Reste bleiben die wie Narben zwar nicht mehr weh tun, aber daran erinnern was mal war.

    Ich wünsche dir gutes Sortieren und Ausmisten!

    In der Bibel steht ein schöner Vers, der zwar einen anderen Hintergrund hat, aber der hier auch passt finde ich:

    Prüft aber alles und das Gute behaltet
    1. Thess. 5,21

    In diesem Sinne eine liebe Umarmung
    Herzlichst Annegret

    • Wow, liebe Annegret – Du bist ja voller Kisten, Truhen und Tresore… 🙂
      Nein, quatsch! Ich weiß, wie Du das meinst… und ist für Dich bestimmt auch der richtige Weg… Ich glaube, ich möchte bei mir weiterhin alles in „einen Topf“ werfen und gut durchmischen. Dabei werde ich bestimmt öfter auch mal den Überblick verlieren, aber das wäre dann wieder typisch Uta und deswegen passt es einfach. 🙂

      • hihihi ich bin eben eine Sortiererin 😀
        Ja, es ist schon gut, dass jede von uns ihren eigenen Weg hat / findet / geht. Richtig oder falsch gibt es dabei sowieso nicht, weil jeder Mensch anders tickt.
        Genau das macht uns alle doch so einzigartig und besonders!
        Das finde ich toll!
        Herzliche Anna-Grüße 🙂

        • Absolut – da muss jede(r) seine eigene Taktik finden, um seine Seele zu sortieren – und glücklicherweise ticken wir eben alle anders, das wäre ja sonst eeeeeecht laaaaaangweilig…. 🙂

  4. Ich finde die Gedanken und Bilder meiner Vorrednerinnen wunderschön ! Wenn ich in meine eigene “Kiste” schaue, dann ist sie auch gefüllt mit einer unglaublichen Menge an erlebtem Leben – manchmal denke ich, das könnte jetzt schon für mehrere Biographien reichen. Was mir dabei auffällt ist, dass auch die schmerzhaften, hässlichen Objekte in meiner Kiste ganz genauso ihre Existenzberechtigung haben wie die hübschen und wohltuenden Erinnerungen. Alles gehört zu mir und war zu seiner Zeit das, was mein Leben war. Und so oft ist das Schönste aus dem sogenannten Schlechten hervorgegangen. Die Glanzstücke in der Kiste sind mir zumeist nicht einfach in den Schoß gefallen – sie sind durch einen harten und entbehrungsreichen Prozess geformt worden und haben genau dadurch ihre besondere Schönheit bekommen. Ich durfte mich weiterentwickeln durch diese heftigen Herausforderungen. Und das hat mich insgesamt gesehen reich gemacht. Das mit dem Aussortieren ist deshalb so eine Sache….. Mir persönlich ist es wichtig geworden, dass ich im Rückblick JA zu meinem Leben sagen kann und auch den Schmerz und die Zeit der großen Lebensenttäuschung mit in meinen “Lebensroman” integriere.

    • Da sollte jeder ganz auf seine Art mit umgehen… ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich einige Gefühle wirklich gerne loswerden würde, weil sie sehr zerstörerisch sind und mich buchstäblich von ihnen reinigen möchte. Denn ich möchte innerlich heiler werden – ist ein ganz tiefes Bedürfnis.
      Die Erinnerungen möchte ich schon behalten – denn wie Du schon sagst: sie gehören zu meinem Leben und haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin

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