Der nächste Schritt

Es gibt viele Schriftsteller/innen, die ich wirklich sehr bewundere und einfach großartig finde – und eine Menge davon schreiben vermeintlich für Kinder… aber wir Erwachsenen können davon auch noch jede Menge lernen und Freude an der schönen Sprache haben. Zuallererst (das wisst Ihr ja hinlänglich) gehört dazu natürlich Astrid Lindgren, aber auch Ottfried Preußler, Erich Kästner und Michael Ende. Letzteren liebe ich natürlich besonders für eins meiner absoluten Lieblingsbücher: „Die unendliche Geschichte“ – aber auch Momo finde ich wunderbar. Und letztens habe ich mich an die Passage mit dem weisen Straßenkehrer Beppo erinnert:

Der alte Straßenkehrer Beppo verrät seiner Freundin Momo sein Geheimnis. „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“ Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“

Er dachte einige Zeit nach: Dann sprach er weiter: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“

Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann machte es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf einmal merkt man, daß man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“ Er nickte vor sich hin und sagte abschließend. „Das ist wichtig.“

Ich persönlich verwende für die gleiche Aussage immer das Bild von einem Berg, vor dem man steht und der unüberwindbar erscheint. All die Probleme, Sorgen, Hindernisse, kreisenden Gedanken und der zu hohe Anspruch an sich selber haben sich darin aufgetürmt und man weiß, dass man gerne nach oben möchte, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Aber wenn man nur auf den obersten Gipfel schaut, dann geht man nie los, weil man es dem eigenen Empfinden nach nie schaffen wird. Geht man aber immer nur einen Schritt nach dem nächsten und denkt auch nur so weit, bis man wieder einen Fuß vor den anderen setzt, dann ist man irgendwann oben und kann die Aussicht genießen.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Vor einigen Jahren konnte ich keine Minute auf Grund einer Erkrankung gehen. Es gibt ein Kreuz bei uns in der Nähe auf dem Berg. Wenn ich hoch mit dem Auto gefahren bin, war das machbar nach einiger Übung, dahin zu laufen. Ich habe zu Ostern dort in die vorhandene Vase Blumen hingestellt. Ich bin dann danach jeden Tag hin, natürlich mit Wasser im Gepäck, um die Blumen zu gießen. Hat mir irgendwie geholfen. Klinkt jetzt vlt. ein bisschen kitschig, war aber so.

  2. Dein letzter Absatz ist für mich z.Zt. passend.
    Ein lieber Wegbegleiter hatte gerade eine schwere OP und wir stehen vor diesem großen Berg. Auch jetzt gilt es, Schritt für Schritt!! Und positiv denken!
    LBG Deine Elli❤️

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.