Meine Stunde auf der Bank

Das war schwieriger, als ich vermutet hatte… denn wie gestaltet man eine Stunde auf einer imaginären Bank mit einem Menschen, den man sich gar nicht vorstellen kann – oder eben nur in kompletter Phantasie und ohne Erinnerungen, auf die man zurückgreifen könnte?

Denn ich wollte meine Stunde mit 1 Person – Ihr erinnert Euch:

ja mit meinem Bruder verbringen, den ich nie kennenlernen durfte, weil er vor seiner Geburt bereits gestorben war. Dieser Bruder nimmt nämlich – und das in zunehmendem Maße – eine Stelle in meinem Leben ein. Deutlich zu spät, wie ich finde – aber nun gehe ich es seit einiger Zeit aktiv an. In einem späteren Artikel werde ich Euch noch erzählen, wie diese Geschichte überhaupt zustande gekommen ist und warum mein Bruder mir mit seinem Tod das Leben geschenkt hat.

So habe ich die Zeit auf der Bank zwar mit meinem Bruder verbracht – er ist auch da gewesen und hat sich neben mich gesetzt. Er war aber mehr so ein Nebelwesen – schmiegte sich äußerlich ganz gut in den Hintergrund des Bildes ein. Ich konnte ihn als Gestalt nicht richtig „zu fassen“ bekommen. Und auch eine Unterhaltung war bisher (!) noch nicht möglich… ich glaube, das müssen wir beide noch üben. Aber ich habe ihn gespürt und ihm gesagt, dass ich ihn ab sofort öfters treffen möchte – und ich glaube, das möchte er auch.

Es war eine Gefühlsmischung aus verwandt-nah, vertraut und doch ganz neu – und die wichtigste Empfindung war Glück: dass ich nämlich zwei ganz wunderbare große Brüder habe und zweifach beschützt bin: einmal auf der Erde und einmal irgendwo darüber…

Habt Ihr auch schon Eure Bankstunde gehabt? Was habt Ihr erlebt? Ich freu mich auf Eure Geschichten und wünsche Euch noch einen tollen Pfingstmontag

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo, ich hatte keine Stunde und auch nicht auf der Bank, aber eine kurze Zeit in unserem Hängesessel auf dem Balkon. Ein Gedankenaustausch mit meiner Oma, die mir wie immer den Kopf gewachsen hat und mich auf den Boden zurück geholt hat. Das konnte meine Oma. Sie hat mir immer meine Stärken gezeigt und meine Schwächen nicht ganz so schwach aussehen lassen. Sie konnte mir immer das Gefühl geben, dass ich so wie ich bin ok bin und das alles was noch nicht gut ist auch noch nicht zu Ende ist.👍🏽😍

  2. Liebe Uta,
    wie schon, dass dein Bruder einen guten Platz in deinem Leben hat. Er gehört untrennbar zu deiner Familiengeschichte dazu. Ich erlebe das immer wieder in Familien, in denen es Sternenkinder gibt – wie wichtig das ist, dass diese Kinder ihren Platz haben. Schlimm genug, dass sie tot sind, sie dürfen nicht auch totgeschwiegen werden.

    Zurück zum Thema – im Sommer darf ich auf meine Trauminsel fahren – rate mal welche? 😉 Dort werde ich ganz sicher manche Stunde am Meer verbringen und dort wird auch die Bank wieder eine Rolle spielen. Ich merke, dass mir die imaginäre Bank hier zuhause schwer fällt – rausgenommen aus dem Alltag fällt mir das viel leichter. Ich denke, ich möchte nicht nur mit meinem Vater dort auf der Bank sitzen, sondern auch mit meinem Opa und mit meiner Oma möchte ich dort Zeit verbringen. Das ist mir gestern im (echten) Gespräch mit meinem Vater deutlich geworden.
    Liebe Grüße Annegret

    • Liebe Annegret,
      Sternenkinder – das ist ja wohl der schönste Ausdruck, den es dafür nur geben kann… und habe ich noch nie vorher gehört… heißen verstorbene Kinder generell so? Ich glaube, das muss ich doch mal zum Thema machen…!!!! Find den Begriff sowas von schön!

      • Liebe Uta,
        ich mag die Bezeichnung auch sehr. Guck mal hier, da kannst du einiges drüber lesen:
        https://de.wikipedia.org/wiki/Sternenkind
        Es gibt auch einen Sternenkindergedenktag, „Worldwide Candle Lighting“ an dem weltweit der Sternenkinder gedacht wird und der immer am zweiten Sonntag im Dezember ab 19.00 Uhr stattfindet. Ich mache da seit vielen Jahren mit und dann brennen hier zwei Kerzen für meine Sternchen
        https://www.mein-sternenkind.de/gedenktage/weltgedenktag-worldwide-candle-lighting/
        Dazu ein Thema fände ich toll, denn es ist gut und wichtig für Angehörige, dass diesen Kindern ein Platz im Leben eingeräumt wird, sie nicht totgeschwiegen werden und die Trauer auch um sehr früh verstorbene Sternchen (Frühschwangerschaft) respektiert und ernst genommen wird.
        Liebe Grüße
        Annegret

  3. Es ist schon sehr schade, dass wir den Ahnenkult in unseren Jahreslauf nicht mehr integriert haben! Damit haben wir uns selbst etwas sehr Gutes und Hilfreiches weggenommen. Und dem einzigen Tag, der offiziell dem Gedenken unserer lieben Vorausgegangenen gewidmet ist, -nämlich Allerheiligen- ist jetzt direkt das seltsame Halloween-Fest vorangesetzt, das meiner Meinung nach ganz im Gegenteil zu der Stimmung des ruhigen schönen Erinnerns und Ehrens passt. Wie einige hier schon geschrieben haben, ist auch meine „Bank“ mitten in meinem Alltag aufgestellt. Manchmal ist es eine bestimmte Melodie, der Anblick von Blumen, irgendeine bestimmte Situation ….. und schon sitzt meine Großmutter, meine Mutter oder mein Vater neben mir, (oder besser sollte ich sagen: sitzt in mir) und spricht mit mir oder gibt mir Ratschläge und Inspiration. Ein Kontakt mit süßem, sehnsuchtsvollen Schmerz für mich….. Meine Oma hat in meiner Kindheit oft mit einem Lächeln und großer Sicherheit gesagt: „ Ich lebe mal in meinen Enkeln weiter“. Vielleicht auch deshalb fühle ich sie heute immer noch so präsent in meinem Leben und alles das, wofür sie mit ihrer Persönlichkeit stand, spielt heute für mich noch eine Rolle. Zum Glück sind es schöne Dinge und „erstrebenswerte Eigenschaften“ ;-), die sie uns Enkeln vermittelt hat.

    • Hallo Lydia,
      du meinst Allerseelen 😉
      Die meisten gehen jedoch an Allerheiligen auf den Friedhof etc.,aber ursprünglich gedenkt man den Verstorbenen an Allerseelen.
      Wie dem auch sei,ich finde Halloween nicht ganz so schlimm,hat ja auch seine Ursprung.
      Was mich allerdings daran ganz gewaltig stört ist das kommerzielle an diesem Tag.
      Wobei das ja auch schon auf Allerheiligen/Allerseelen zutrifft.
      Ich bin aber auch eh der Meinung,das man seinen Lieben vorausgegangenen dann gedenken sollte,wenn einem danach ist.
      Für mich wird Allerseelen immer ein ganz bescheidener trauriger Tag bleiben,das ist der Tag an dem meine Mutter verstarb.
      Lydia,in Köln bzw. im Rheinland gibt es einen Spruch.
      „Jede Jeck es anders“ (nimm deine Mitmenschen so wie sie sind)
      Deshalb winke ich jetzt ganz lieb von Ingolstadt nach München 😀

      Und Uta,ich finde es großartig wie du das mit deinem Bruder machst.
      LG Petra

  4. Danke für deinen lieben Gruß, Petra ! Aber ganz verstehe ich nicht, wie Du den kölschen Spruch „ jede Jeck es anders“ in diesem Zusammenhang meinst….?Hab da wohl was nicht kapiert. Kannst Du‘s mir nochmal kurz erklären ?!

    • Ganz einfach.
      Du findest es schade,das Halloween vor Allerheiligen gefeiert wird.
      Ich finde es nicht schlimm.
      Du findest,das wir keinen Ahnenkult mehr betreiben.
      Ich denke schon,nur nicht an einem festgeschriebenen Feiertag wie Allerheiligen…
      Deshalb,jeder Jeck es anders 🙂
      Ist aber auch nicht so wichtig.
      LG Petra

  5. Liebe Uta,
    Auf einer Bank sitzen und jemanden zu sich holen,ihn kennenlernen,sich nähern und beschnuppern..Toll,das Du Dich das getraut hast!! Je öfter Du das tust,desto intensiver wird der Kontakt werden und es wird sich bestimmt ein Gespräch entwickeln.
    Ich habe die Art des Kontaktes auch vor einiger Zeit ausprobiert und mir gelingt es schon ganz gut. Am besten gelingen mir diese Gespräche auf meiner Lieblingsinsel Juist!! Ich habe Juist durch meinen besten Freund kennengelent und mich sofort in die Insel verliebt.Wir durften dort 2 wunderschöne Urlaube verbringen, bevor er letztes Jahr im Mai verstorben ist.
    Ich war danach für ein paar Tage alleine auf Juist und hatte plötzlich -neben meinen Erinnerungen- intensiven Kontakt zu meinem verstorbenen Freund. Ich saß am Strand(Kalfamar) und hörte seine Stimme.
    Es gab immer wieder kürzere und längere Unterhaltungen,in denen wir zusammen gelacht haben- das war allerdings schon komisch alleine zu sein und einfach zu lachen- oder wir haben zusammen geweint.Ich hatte manchmal das Gefühl ihn zu spüren!!!
    Ich kann nur jedem empfehlen,sich eine „Bank“ irgendwo zu suchen und sich auf das was kommt,einzulassen!!

    Ganz liebe Grüße
    von Anna,die den Blog schon lange verfolgt und sich getraut hat,einen Kommentar zu schreiben.

  6. Liebe Uta,
    es ist schön zu lesen, das Du Dir Zeit genommen hast mit Deinem Bruder in Kontakt zu treten und sich ihm langsam zu nähern. Ihn zu fühlen und zu merken ist großartig. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, das Gespräche durchaus möglich sind und es einfach nur ein bißchen Zeit braucht.
    Ich übe mich schon länger in dem Thema „imaginäre Bank“ und es gelingt mir ganz gut. Am Besten gelingt es mir tatsächlich auf meiner Lieblingsinsel Juist. Ich habe die Insel durch meinen allerbesten Freund kennengelernt und mich sofort in sie verliebt. Wir durften dort 2 wunderschöne Urlaube zusammen verbringen, bevor er im Mai letzten Jahres leider verstarb. Kurz danach verbrachte ich ein par Tage alleine auf juist ( eigentlich sollten wir gemeinsam dort sein) und ich hatte eine unglaublich intensive Zeit. Neben all den Erinnerungen bekam ich tatsächlich Kontakt zu ihm und wir haben auch miteinander gesprochen. Das war sehr berührend für mich. Wir haben zusammen gelacht – das war schon etwas komisch alleine am Strand zu sitzen und zu lachen-, genauso haben wir zusammen geweint und uns in den Arm genommen. Ich konnte ihn tatsächlich spüren.
    Seitdem nehme ich mir immer wieder, wenn mir danach ist, Zeit und Ruhe und führe Unterhaltungen.
    Liebe Uta, ich bin mir sicher, das du nur noch etwas Zeit und Übung brauchst, um mit deinem Bruder ähnliches zu erleben.

    Ganz liebe Grüße
    von anna

    • Liebe Anna,
      vielen Dank für Deinen wunderbaren Kommentar und die super rührende Geschichte. Da musste ich kräftig schlucken – freu mich aber, dass Du Deinen besten Freund noch so nah bei Dir spüren kannst. Mir geht es mit einer verstorbenen Freundin ähnlich…
      Ganz liebe Grüße von der Uta

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